KI treibt Menschen das kritische Denken aus
Viele Anwender interagieren mit smarten Algorithmen wie mit einer Art allmächtigen Instanz
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Petter Bae Brandtzæg: Medienforscher warnt vor Gefahren durch KI (Foto: uio.no) |
Oslo (pte004/18.11.2025/06:15)
Die Formulierungskünste von Künstlicher Intelligenz (KI) schwächen das Urteilsvermögen und die menschliche Fähigkeit zum kritischen Denken. Zu diesem Schluss kommt Medienwissenschaftler Petter Bae Brandtzæg von der Universität Oslo.
KI lässt sich nicht vermeiden
"Soziale Medien können wir zwar weitgehend vermeiden, KI jedoch nicht. Sie ist in soziale Medien, Word, Online-Zeitungen, E-Mail-Programme und Ähnliches integriert. Wir alle werden zu Partnern der KI, ob wir das wollen oder nicht", unterstreicht Brandtzæg. Die sozialen Auswirkungen generativer KI seien ein relativ neues Forschungsgebiet, für das es noch keine Theorien und Konzepte gebe.
Forscher haben daher das Konzept des "KI-Individualismus" eingeführt. Es baut auf dem "Netzwerk-Individualismus" auf. Das ist ein Rahmenkonzept, das Anfang der 2000er-Jahre eingeführt wurde. Damals ging es darum auszudrücken, wie Smartphones, das Internet und soziale Medien es Menschen ermöglichen, soziale Netzwerke über Familie, Freunde und Nachbarn hinaus aufzubauen und anzupassen.
Der vernetzte Individualismus hat gezeigt, wie Technologie die alten Grenzen von Zeit und Raum aufgehoben und flexible, personalisierte Netzwerke ermöglicht hat. Mit KI geschieht jetzt wieder etwas Neues: Die Grenze zwischen Menschen und Systemen beginnt zu verschwimmen, da KI Rollen übernimmt, die früher Menschen vorbehalten waren, so der Forscher, der ergänzt: "KI kann sogar persönliche, soziale und emotionale Bedürfnisse erfüllen."
Individualismus wird gestärkt
Der Experte hat die Beziehungen zwischen Mensch und KI anhand von KI-Chatbots wie Replika analysiert: "Diese stärken den Individualismus, indem sie autonomeres Verhalten ermöglichen und unsere Abhängigkeit von den Menschen um uns herum verringern. Sie können zwar die persönliche Autonomie verbessern, aber auch die Bindungen innerhalb einer Gemeinschaft schwächen. Eine Verlagerung hin zum KI-Individualismus könnte daher die sozialen Kernstrukturen neu gestalten."
KI-generierte Inhalte befänden sich nicht mehr in einem Vakuum. Sie verbreiteten sich überall, in öffentlichen Berichten, neuen Medien, in der Forschung und in Enzyklopädien. "Wenn wir eine Google-Suche durchführen, erhalten wir zunächst eine KI-generierte Zusammenfassung. Alles wird mit einer Art KI-Schicht überzogen. Wir gehen davon aus, dass die Vorbildfunktion der sozialen KI zu Vorbildmonopolen führen kann, die das Denken und Verhalten der Menschen erheblich beeinflussen."
Brandtzæg und seine Kollegen haben verschiedene Studien ausgewertet, die zeigen, dass Menschen zwar gerne behaupten, kritisch zu sein, aber dennoch den Ratschlägen der KI folgen, was die Modellmacht solcher KI-Systeme unterstreiche. "Es ist das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass wir mit einer Art allmächtiger Instanz sprechen, die so viel gelesen hat. Das verleiht ihr eine Macht, die beängstigend ist. Wir glauben, dass wir uns im Dialog befinden, dass es sich um eine Zusammenarbeit handelt, aber es ist eine einseitige Kommunikation. Wir dürfen nicht vergessen, dass KI kein öffentliches, demokratisches Projekt ist. Es ist kommerziell, und dahinter stehen einige wenige US-Unternehmen und Milliardäre."
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