pte20250909019 in Leben

Evolution liefert neue Erklärung für Autismus

Langsamere Entwicklung des Gehirns spielt laut Studie der Stanford University wichtige Rolle


Autismus: Menschliche Evolution spielt mit (Foto: pixabay.com, Salisbury Support for Autism)
Autismus: Menschliche Evolution spielt mit (Foto: pixabay.com, Salisbury Support for Autism)

Stanford (pte019/09.09.2025/11:00)

Der relativ hohe Anteil an Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) ist zum Teil auch evolutionsbedingt, wie eine neue Studie unter der Leitung der Stanford University zeigt. Bei rund 3,2 Prozent der Kinder in den USA wurde ASS diagnostiziert. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass weltweit rund eines von 100 Kindern Autismus hat. Details sind in "Molecular Biology and Evolution" veröffentlicht.

Datenberge analysiert

Aus evolutionärer Sicht treten Autismus und Schizophrenie Forschern zufolge eher nur beim Menschen auf. Mit der Einzelzell-RNA-Sequenzierung wurde es möglich, im Gehirn bestimmte Zellarten zu definieren. Durch immer größere Datensätze wurde es deutlich, dass das Gehirn von Säugetieren über eine atemberaubende Vielfalt an neuronale Zelltypen verfügt. Zusätzlich haben groß angelegte Sequenzierungsstudien umfassende genetische Veränderungen identifiziert, die beim Gehirn des Homo sapiens einzigartig sind. Diese genomische Elemente entwickelten sich nur beim Menschen sehr rasch weiter, heißt es.

Für die aktuelle Studie haben die Wissenschaftler erst kürzlich veröffentlichte Datensätze zur artenübergreifenden Single-Nucleus-RNA-Sequenzierung ausgewertet. Diese beziehen sich auf drei bestimmte Bereiche des Gehirns von Säugetieren. Es hat sich gezeigt, dass sich die L2/3-IT-Neuronen, der häufigste Typ in der äußeren Gehirnschicht, beim Menschen im Vergleich zu Affen äußergewöhnlich schnell entwickelt haben. Diese beschleunigte Evolution wurde von drastischen Veränderungen der mit Autismus in Verbindung stehenden Gene begleitet, betonen die Wissenschaftler.

Natürliche Selektion

Dafür war wahrscheinlich eine natürliche Selektion verantwortlich, die spezifisch für die menschliche Entwicklung ist. Obwohl das Team um Forschungsleiter Alexander L. Starr davon ausgeht, dass es sich bei diesen Ergebnissen bei mit ASS in Verbindung stehenden Genen auch um eine natürliche Selektion handelt, sind die möglichen Vorteile für die Vorfahren der Menschen unklar. Die Beantwortung dieser Frage ist schwierig, da nicht bekannt ist, welche dem Menschen eigenen Merkmale der Kognition, Anatomie des Gehirns und der neuronalen Verdrahtung den Vorfahren einen Fitnessvorteil verschafften.

Derzeit gehen die Forscher davon aus, dass viele dieser Gene mit einer Entwicklungsverzögerung in Verbindung stehen. Ihre Evolution könnte jedoch dazu geführt haben, dass sich das Gehirn nach der Geburt beim Menschen langsamer entwickelt als bei Schimpansen. Dazu kommt, dass die Fähigkeit zur Sprachproduktion und dem Sprachverständnis häufig von Autismus und Schizophrenie betroffen sind. Starr zufolge hat die rasche Evolution der mit Autismus in Verbindung stehenden Gene einen Fitness-Vorteil mit sich gebracht.

Denkbar ist, dass es dabei zur Verlangsamung der Entwicklung des Gehirns nach der Geburt und einer verbesserten Sprachfähigkeit gekommen ist. Die längere Entwicklung des Gehirns in der frühen Kindheit war für die menschliche Evolution von Vorteil, dass sie zu einem komplexeren Denken führte. "Unsere Forschungsergebnisse legen nahe, dass die gleichen genetischen Veränderungen, die das menschliche Gehirn einzigartig gemacht haben, die Menschen auch neurodiverser hat werden lassen", verdeutlicht Starr abschließend.

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