pte20190524002 Kultur/Lifestyle, Politik/Recht

Dinev: Rechtspopulisten erzählen falsche Mythen

Autor empfiehlt Begegnung mit Fremden statt Schüren von Feindbildern


Wien (pte002/24.05.2019/06:00) Rechtsgerichtete Parteien liefern ein überholtes Bild und falsches Narrativ von Europa. Sie verklären die Nation und die kriegerische Vergangenheit und erklären alles Fremde zum Feindbild. "Die Idee eines geeinten Europa, in dem unterschiedliche Kulturen friedlich zusammenleben, muss daher immer wieder neu erzählt werden. Viele verstehen nicht, was im Projekt Europa steckt", erläutert der aus Bulgarien stammende Schriftsteller Dimitré Dinev, der zu den Europäischen Toleranzgesprächen in Fresach http://fresach.org kommt, im Gespräch mit pressetext.

Teil eines Ganzen

Für Dinev ist Europa eine Heimat für alle und damit eine wesentliche Voraussetzung, mit seiner Identität nicht im Zwiespalt zu sein. "Ich fühle mich als Europäer, nicht als Bulgare, nicht als Österreicher. Ich lebe in Österreich, aber viele würden mich als Österreicher nicht akzeptieren. Europa hingegen bietet Zugewanderten wie mir trotz aller kultureller und sprachlicher Unterschiede die Möglichkeit, Teil eines Ganzen zu sein."

Nicht die Unterschiede zwischen Menschen oder Sprachbarrieren seien ein Problem für das Zusammenleben, sondern Gesetze, die Menschen voneinander trennen. Genauso seien nicht die Armen und Verfolgten das Problem, sondern die Armut selbst. Es werden jedoch Feindbilder konstruiert, die Zuwanderer als Ausnutzer des Sozialsystems darstellen. "Man glaubt diesen Feindbildern nur, wenn man den 'Feinden' nicht begegnet. An Orten, wo es am wenigsten Fremdheit gibt, hasst man Fremde am meisten, weil man sie nie gesehen hat", so der Schriftsteller.

Mehr Empathie für Einzelne

Fremde sind für Dinev keine gesichtslosen Massen, wie sie in den Feindbildern gezeigt werden, sondern immer auch einzigartige Menschen mit ihren jeweils eigenen Geschichten. "Erst im Angesicht des Fremden sehen wir klar. Zuwanderer riskieren alles, wenn sie ihre Heimat verlassen, denn sie verlassen das ihnen Bekannte. Sie sind daher gezwungen, sich immer weiter zu entwickeln, und das ist die Grundvoraussetzung für den Fortschritt. In fast jeder Geschichte und fast jedem Mythos verlassen die Menschen ihre Welt und entwickeln sich erst dadurch weiter."

Auf die Frage, ob Literatur und Kunst etwas zum Besseren beitragen können, meint der Autor gegenüber pressetext: "Ich glaube nicht, dass die Literatur den Menschen besser macht, aber sie ist das Gedächtnis der Menschheit. Sie beginnt dort, wo die Geschichtsschreibung aufhört, nämlich bei Individuen. Mein Thema ist immer der Mensch, und zwar sowohl in seiner Niedertracht als auch in seiner Schönheit."

Künstler muss immer Fremder sein

Der Mythos vom Fremden und vom Künstler sei ähnlich, der Künstler ist immer auch ein Fremder. "Wären wir das nicht, wären wir assimiliert, wird aus Kunst Propaganda. Es ist mein Trost, dass es unvermeidlich ist, Fremder zu sein. Ich habe keine Wahl, ich muss fremd bleiben. Künstler müssen ihre Objektivität behalten können. Sie dürfen sich nicht kaufen lassen. Deswegen provoziert Kunst und macht uns nachdenklich", so Dinev zu seiner Motivation und Schaffenskraft.

Hintergrund: Dimitré Dinev schaffte seinen literarischen Durchbruch 2003 mit dem Roman "Engelszungen". Werke des Autors wurden inzwischen in 15 Sprachen übersetzt. 2016 wurde er mit 15 anderen Autoren für die Publikation schreibArt AUSTRIA ausgewählt, ein Literaturprogramm der Kultursektion des Außenministeriums und Beitrag der österreichischen Auslandskulturpolitik. Dinev wird bei den Europäischen Toleranzgesprächen sprechen, die vom 5. Juni bis 8. Juni 2019 in Fresach und Villach stattfinden.

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