pte20141105011 Politik/Recht, Handel/Dienstleistungen

Susanne Scholl: "Wir sind längst im Kalten Krieg"

EU-Sanktionen gegen Russland richtig und einzig mögliche Antwort


Wien (pte011/05.11.2014/09:49) Drohgebärden, Provokationen, militärische Mittel und effiziente Propaganda gegen den Westen: Russlands Politik wird sich nicht ändern, solange Putin Präsident ist. Die langjährige Korrespondentin in Moskau, Susanne Scholl http://susannescholl.at , hat keine Illusionen: Wenn Putin rational agieren würde, wäre die Krim nicht passiert. "Wir sind längst im Kalten Krieg. Wir können froh sein, wenn er kalt bleibt", warnte die Journalistin und Buchautorin am Dienstagabend auf einer Veranstaltung der Wirtschaftskanzlei TPA Horwath http://tpa-horwath.at in Wien. Die EU-Sanktionen seien "richtig" und die "einzig mögliche Antwort".

Russische Medien schüren Hass

Als Beispiel für das politische Klima führte sie das russische Fernsehen an: Sie sei "zutiefst geschockt". In all den Jahren, die sie in Russland verbrachte, habe sie "nie so unglaublich gefälschte und gelogene TV-Nachrichten" gesehen wie heute. "Ich bin absolut entsetzt", so Scholl. Da würden in Hauptnachrichtensendungen Fotos von US-Präsident Obama und IS-Terrorchef Abu Bakr al-Bagdadi nebeneinander gestellt mit dem Kommentar: Beide würden die Welt beherrschen wollen und Menschen umbringen. Dann ein Bericht über die Ukraine, den "Faschisten" am Maidan, unterlegt mit Bildern aus dem Zweiten Weltkrieg, Erschießungen, Nazi-Massakern. Das habe sie fassungslos gemacht. Die Bildsprache sei klar: "Da wird gezielt und systematisch Hass geschürt."

In ihrer Einschätzung des Konflikts zwischen Russland und Europa kommt Scholl zum Schluss, dass Putin Absetzbewegungen "Richtung Europa" nicht hinnehmen wolle und daher auch schwerst beleidigt auf den gewaltsamen Sturz von Janukowitsch in der Ukraine reagiert habe. Die darauf folgende gewaltsame Annexion der Krim war nicht nur ein Völkerrechtsbruch, sondern auch ein Bruch der Gasverträge mit der Ukraine für den Verbleib der russischen Schwarzmeerflotte. Doch die Krim werde Moskau nicht glücklich machen. Der Tourismus ist am Ende, selbst Russen fahren nicht mehr dort hin - damit sei ihnen nach dem Baltikum und Georgien dank Putin ein "weiteres Urlaubsgebiet abhanden gekommen".

Ungelöste Konflikte erhöhen Putins Einfluss

Die wirtschaftliche Situation derzeit ist alles andere als rosig, die Stimmung in Moskau schlecht. Der Kreml sieht sich umgeben von Feinden, das hat Tradition. Daran werde sich auch nichts ändern, solange Putin Präsident bleibt, erklärte Scholl. Von einem Friedensabkommen in der Ukraine kann daher vorerst keine Rede sein, der Krieg sei auch nicht eingefroren. "Der Konflikt ist heiß, es wird ständig geschossen, und es gibt Tote", so Scholl. Russland habe ein Interesse an einem weiteren ungelösten Konfliktherd. Das gibt Putin die Möglichkeit, seinen Einfluss zu wahren. "Putin kann sich eine Welt ohne Einflusszonen nicht vorstellen."

Das Land umgibt sich mit einem "Cordon sanitaire", sagte Scholl, einem rechtsfreien Raum, der völlig von Moskau abhängig ist. Transnistrien, Südossetien, Abchasien, jetzt Ostukraine und die Krim. Der Einfluss soll weiter ausgebaut werden. Bedroht sind weiterhin auch Georgien, Moldawien, ja sogar die baltischen EU-Länder. Von allen Ländern sei die Ukraine politisch mittlerweile am weitesten von Moskau entfernt. "Die Politik der EU dazu ist keine. Die EU hat keinen Plan und keine Idee, wie man mit Russland umgehen soll. Deshalb kann sich's jedes Land richten. Das spielt wiederum Putin in die Hände. Der will nicht mit der EU verhandeln, sondern immer nur bilateral", erklärte Scholl.

Positive Veränderung nicht in Sicht

Die vielfältigen Probleme sind erst dann zu lösen, wenn Russland einen anderen Präsidenten hat. Aber was folgt, wenn er weg ist? Das "Best-Case-Szenario" aus Sicht der Autorin Scholl: Putins eigene Leute werden ihn entsorgen, weil er ihnen wirtschaftlich schadet, und ihn sanft in Pension schicken. Einer aus seinem Kreis wird nachfolgen. Der muss aber was gravierend anders machen. Wann, wie und wo, ist nicht vorherzusagen. Es gilt der vielzitierte Spruch: "Russland kann man nicht mit dem Verstand fassen, an Russland muss man glauben."

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