pte20130513009 Politik/Recht, Tourismus/Reisen

Albanien hofft auf EU-Kandidatenstatus

Parlamentswahl im Juni soll erwarteten Reformschub bringen


Tirana (pte009/13.05.2013/08:20) Albanien hat in nur einer Generation den Sprung vom Steinzeit-Kommunismus Enver Hoxhas zum echten EU-Beitrittskandidaten gemacht, mit einer vielfältigen Medienlandschaft, einem ausgeprägten Parteiensystem und einem Reformwillen, der vom jüngsten Fortschrittsbericht der EU anerkannt wurde. Auch wenn der Transformationsprozess samt Privatisierung und Liberalisierung in dem kleinen Balkanstaat nach "Wildwest"-Manier verläuft, die Anerkennung Europas ist nur noch eine Frage der Zeit.

Öffentlich sichtbare Wahlwerbung sucht man in dem Land an der Adria vergeblich, Plakatwände gibt es nicht. Die politische Auseinandersetzung findet primär in den zahlreichen öffentlichen und privaten TV-Sendern und Printmedien statt, und natürlich auf Parteiveranstaltungen, die nahezu täglich quer durchs ganze Land stattfinden. Jeder Politiker muss an die Front, Auslandsreisen müssen bis nach der Wahl am 23. Juni verschoben werden, berichtet ITK-Minister Genc Pollo von der Demokratischen Partei gegenüber pressetext.

Pollo ist unaufgeregt und entspannt. Er will sich auf keine Prognose einlassen, doch ist er von einem neuerlichen Sieg der Partei von Ministerpräsident Sali Berisha überzeugt. Sein Rückblick auf 22 Jahre Arbeit im Dienste der albanischen Politik fällt sachlich und nüchtern aus. Alle bedeutenden Reformen dieser Jahre sind auch über seinen Schreibtisch gelaufen, das Tempo der Entwicklung - zwischendurch wegen des politischen Patts zwischen Linken und Rechten gebremst - ist atemberaubend, der Aufholbedarf offenbar groß.

Verstädterung nimmt drastisch zu

Nach dem Umbruch 1991 war Albanien mit Abstand das ärmste und rückständigste Land des Kontinents, isoliert von Europa und dem Rest der Welt. Heute wird das Land wegen seines vergleichsweise hohen Wirtschaftswachstums beneidet, das auf dem ungezügelten Konsum- und Bauboom und zunehmender Landflucht mit all ihren negativen Folgen basiert. Allein die Einwohnerzahl der Hauptstadt Tirana hat sich in 20 Jahren von 250.000 auf 750.000 verdreifacht, die Küstenstädte Durres, Vlora und Saranda haben sich verdoppelt, während die Bevölkerungszahl des Landes bei 2,85 Mio. Einwohnern stagniert. Die Mehrheit der Albaner wohnt bereits in Städten.

In jüngster Vergangenheit lieferte das Balkanland durchwegs gute Nachrichten. Trotz andauernden Politstreits zwischen Demokraten und Sozialisten wurde Albanien 2009 NATO-Mitglied, im selben Jahr folgte der EU-Beitrittsantrag. Der "Transition Report 2010" der Osteuropabank EBRD attestierte Fortschritte bei der Annäherung an EU-Standards. Auch im Reiseverkehr kam es zum Durchbruch. Seit Dezember 2010 dürfen albanische Staatsbürger ohne Visum in die EU reisen und sich dort bis zu drei Monate pro Halbjahr aufhalten - ein Zugeständnis, das ihr Selbstwertgefühl immens gesteigert hat.

Von der Parlamentswahl am 23. Juni und dem parteienübergreifenden Engagement für Reformen wird es abhängen, ob Albanien den Status als EU-Kandidat erhält. Genc Pollo hofft auf grünes Licht aus Brüssel für Beitrittsverhandlungen, ist aber - als aufmerksamer Beobachter der europäischen Politik - realistisch: "Die EU hat derzeit andere Sorgen."

Tourismus einer der Wachstumsmotoren

Einer der wesentlichen Treiber der Wirtschaftsentwicklung ist neben dem Straßen- und Infrastrukturausbau der Tourismus, bestätigt Pollo. Seit 2009 hat sich die Zahl der ausländischen Gäste von 1,78 Mio. auf 3,5 Mio. verdoppelt. Die meisten Besucher Albaniens kommen aus Griechenland, Italien und den Balkanländern. Deutsche, Österreicher und Schweizer machen nur derzeit einen kleinen Teil aus, rund 100.000.

Auch die Skanderbeg-Festung Kruja nördlich von Tirana verzeichnet jährlich rund 100.000 Besucher, am meisten Besucher zieht derzeit jedoch die albanische Hauptstadt an, hier wachsen Wohnburgen ebenso wie Hotels wie Schwammerln aus dem Boden. Mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent bei einer Arbeitslosenquote von 15% und einer Inflationsrate von 4% sind die Aussichten weiterhin günstig, auch wenn die Wirtschaftskrise drückt und das Geld der internationalen Investoren sichtbar fehlt.

Österreich und Deutschland bei Investitionen Wunschpartner

Im Ranking der Direktinvestoren liegen aktuell Griechenland, die Türkei und die USA an der Spitze, dahinter folgt Österreich noch vor Deutschland und Italien. In Albanien ist man daran interessiert, sich von der Dominanz der Nachbarn etwas zu lösen. Österreich und Deutschland sind dabei die erklärten Wunschpartner. Größter heimischer Investor bis dato ist die Raiffeisen International Holding, die 2004 die staatliche Savings Bank übernommen hat. Weitere Investitionen konzentrieren sich auf Tourismus, Immobilien, Versicherungen, Energie, Bergbau und Bau- sowie Bauzulieferbranche. Zuletzt erhielten die Österreichischen Lotterien den Zuschlag für den Betrieb der Lotaria Kombetare in Albanien.

ITK-Minister Genc Pollo, der seine Politkarriere 1991 als Mediensprecher von Sali Berisha begonnen hat und später als Bildungsminister landesweite Bekanntheit erlangte, vertritt in Tirana den Wahlkreis Berat, eine Museumsstadt, die als UNESCO-Weltkulturerbe über die Grenzen des Landes hinaus bekannt ist. Der studierte Historiker mit exzellenten Deutschkenntnissen ist zuversichtlich, dass die Transformationsperiode in Albanien auf gutem Wege ist. "Wir haben die Vergangenheit hinter uns gelassen und die Zukunft vor uns."

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