pte20120713010 Unternehmen/Wirtschaft, Medien/Kommunikation

Wallraff: "Mitarbeiter-Entrechtung schreitet voran"

Netzwerk Soziale Verantwortung fordert neue CSR-Konzeption


Wien (pte010/13.07.2012/11:30) Das österreichische Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) http://nesove.at hat bei einer Podiumsdiskussion mit Günter Wallraff http://guenter-wallraff.com das bisherige "Freiwilligendogma" von gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung, sogenannter Corporate Social Responsibility (CSR), gebrandmarkt und eine neue CSR-Konzeption gefordert. "Die Dinge kontrastieren - aus Verheißungen wurde Verelendung", meint NeSoVe-Präsident Franz Fiala gegenüber pressetext. "Wir leben in einer Zeit konstruierter Abmahnungen", ergänzt Wallraff.

Geschäftsidee Ausbeutung

"Ausbeutung von Mitarbeitern und Umweltverschmutzung sind noch immer Geschäftsgrundlage vieler Unternehmen", weiß Fiala. Die bisherigen Modelle von Unternehmensverantwortung seien keineswegs allseits akzeptiert und auch viel zu beschränkt, um Kurskorrekturen voranzutreiben. Das NeSoVe fordert daher eine CSR-Neukonzeption, wo regulative Instrumente die privaten überwiegen. "Turbokapitalismus und gesellschaftliche Unternehmensverantwortung sind nicht kompatibel", hält der NeSoVe-Präsident fest.

Gesellschaftlich verantwortliches Handeln bedarf laut Fiala aber nicht nur der Regelsetzung, sondern auch der Sanktion von gegenteiligem Verhalten. Das NeSoVe unterstreicht aus diesem Grund die Bedeutung von "Watch Dogs" wie Günter Wallraff, fördert Internet-Plattformen für Konsumentenschutz und plant auch die Vergabe von Negativpreisen für grobe Verstöße. "Beim Thema Unternehmensverantwortung wird von der Wirtschaft stark lobbyiert und sogar der Umweltschutzgedanke kommerzialisiert", weiß Fiala.

Entrechtung schreitet voran

"Die Entrechtung ist in allen Bereichen voranschreitend", befindet Wallraff. Der deutsche Journalist und Buchautor sorgte unlängst mit Enthüllungen aus der Branche der Paketzusteller wieder für großes Aufsehen. "Anwälten, die Bücher schreiben über die Kündigung von Unkündbaren muss das Handwerk gelegt werden", fordert er. Dafür und für mehr Aufklärung, Beratung und Hilfe will sich der demnächst 70-Jährige neuerdings sogar mittels der Firma Brennpunkt Betrieb http://www.work-watch.de einsetzen.

"In den Betrieben ist etwas im Gange", sagt Wallraff bewusst zweideutig. Einerseits erodieren soziale Standards, anderseits hinke das kapitalistische System. "Die Abwanderung in Billiglohn-Länder braucht es nicht mehr. Wir sind quasi selbst Dritte Welt geworden", findet Wallraff. "Da wächst sich etwas aus - in Call Centern, Schlachthäusern." Es sei schlimm, dass alle Missstände einfach so hingenommen würden. Sogar Leiharbeit und niedrigste Löhne würden heutzutage als normal gelten.

Begleitmusik ohne Gerichte

"Dieses Schweigen im Walde entsetzt mich", sagt der bekannte wie umstrittene Aufdecker. Darum freut er sich über Nachahmerinnen wie die Französin Florence Aubernat oder die Mexikanerin Lydia Cacho, die sich auf ihn berufen. Dass er nach so vielen aufgedeckten Skandalen und Gerichtsprozessen noch lebt und auch Marathons laufen kann, wundert Wallraff laut eigener Aussage selbst.

Seit seiner TV-wirksamen Enthüllung ist die Paket-Branche mit ihrem Subunternehmertum unter Rechtfertigungsdruck. "Mich erreichen tausende Hilferufe und sogar Manager wollen beichten", freut sich Wallraff. Die Bild-Zeitung, wo vor fast 40 Jahren sein Ruhm den Anfang genommen hatte, hält er aber weiterhin für einen "gemeingefährlichen Triebtäter", den man beobachten muss.

(Ende)
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