pte20120609004 Technologie/Digitalisierung, Unternehmen/Wirtschaft

Social Media: Maschinen übernehmen Firmen-Accounts

Fachwelt glaubt aber nicht an Vision von intelligenten Maschinen


Menschliche Maschine: Zukunftsmusik (Foto: pixelio.de, kfm)
Menschliche Maschine: Zukunftsmusik (Foto: pixelio.de, kfm)

Wien (pte004/09.06.2012/06:15) Die Social-Media-Accounts von Firmen werden künftig immer stärker automatisiert werden, da die steigenden Benutzerzahlen mit menschlichen Betreuern nicht mehr ökonomisch sinnvoll zu bewältigen sind. In weiterer Folge sollen automatische Accounts irgendwann sogar menschliches Verhalten glaubhaft immitieren können, schreibt Analyst Jeremiah Owyang bei Techcrunch. Einige Experten sind da weitaus skeptischer:

"Die Komplexität der linguistischen Details in der menschlichen Kommunikation wird unterschätzt. Wir sind Lichtjahre von Programmen entfernt, die Menschen in Kommunikationsprozessen imitieren können. Jeder, der etwas anderes behauptet, ist entweder wissenschaftlich naiv oder ein Scharlatan", sagt Computerlinguist Franz Guenthner von der Ludwig-Maximilians-Universität München http://cis.uni-muenchen.de gegenüber pressetext.

Aufwendige Account-Pflege

Große Firmen haben bereits jetzt zu Spitzenzeiten Probleme, mit dem Kundendialog auf sozialen Medien mitzuhalten. Speziell in Branchen, die intensive Kundenbetreuung erfordern, brächte schon eine teilweise Automatisierung Verbesserungen bei Antwort-Geschwindigkeit und Kosten. Owyang behauptet, dass eine schrittweise Automatisierung bereits eingesetzt hat. Als Beispiel nennt er Social-Media-Management-Systeme, die es erlauben, von Menschen erstellte Inhalte per Zeitschaltuhr zu einer beliebigen Uhrzeit zu verschicken.

Einige Firmen gehen laut dem Analysten schon einen Schritt weiter, indem sie Algorithmen verwenden, die den optimalen Zeitpunkt und die passende Zielgruppe für die Veröffentlichung automatisch bestimmen. Der nächste Schritt, der bei der Firma VirtuOz bereits in Arbeit sein soll, ist der Einsatz von verbesserten ChatBots in sozialen Netzwerken, die Beziehung einer Marke zu Kunden eigenständig pflegen soll. "Wenn ich solche Ankündigungen höre, kommen mir die Tränen. Chatbots sind Quatsch. Seit zehn Jahren scheitert einer kläglicher als der andere", so Guenthner.

Menschliche Maschinen

Dass Menschen in sozialen Netzwerken nicht mit offensichtlich künstlichen Gesprächspartnern wie Chatbots interagieren wollen, lässt Owyang nicht als Einwand gelten. Auch bei automatisierten Telefonsystemen und Bankomaten habe es anfangs Einwände gegeben. Einfache Aufgaben wie das Geben von Anweisungen oder schnelle Antworten werden laut dem Analysten schon in absehbarer Zeit von Maschinen-Accounts übernommen.

Längerfristig hält der Experte künstliche Intelligenz, die Menschen imitieren kann und sogar in der Lage ist, Freundschaften zu unterhalten, für möglich. Dagegen hält Professor Guenthner, daß nicht einmal in den einfachsten Bereichen man heute von intelligenten Antworten geschweige denn Dialogen reden kann. Zum Beispiel die Suche auf Google, die, zumindest ab und zu, eine Eingabe wie 'Adresse Firmenname' richtig beantworten kann, ist da schon das Höchste der Gefühle. Jedoch jede von Hunderten von varianten Frage wie zum Beispiel 'Wo ist Firmenname angesiedelt?' überfordert das System schon", so Guenthner.

In die Forschung wird zwar viel Geld gesteckt, oft aber in die falschen Projekte. "Die EU hat vor einiger Zeit einige Millionen Euro in ein Projekt zur Konstruktionen eines Baby-Roboters, beziehingsweise Roboter Babys, investiert, der sich nach zwei Jahren wie ein menschlicher Säugling verhalten sollen hätte. Das ist naiv. Geldgier und Unwissenheit sind die Gründe für diese Art von dummer Grundlagenforschung. Dass eine Maschine einen Social-Media-Account oder einen normalen Dialog betreibt, der menschlich wirkt, ist absurd", sagt Guenthner.

(Ende)
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