pte20120425002 Medien/Kommunikation, Technologie/Digitalisierung

Elite-Unis: Rebellion gegen akademische Verlage

Harvard folgt Princeton und will Summen für Journale nicht zahlen


Bibliothek: teure Fachzeitschriften belasten Budget (Foto: pixelio.de, R. Sturm)
Bibliothek: teure Fachzeitschriften belasten Budget (Foto: pixelio.de, R. Sturm)

Cambridge (pte002/25.04.2012/06:05) Das beratende Gremium der Bibliothek der Universität Harvard http://www.harvard.edu hat in einem offenen Brief den Aufstand gegen die akademischen Verlage gefordert. Die übertrieben hohen Preise stellen eine Bedrohung für andere Aufgaben der Sammlung dar und seien deshalb auf Dauer nicht mehr tragbar, heißt es in dem Schreiben. Allein die Kosten für die Journale einiger großer Verlage belaufen sich für Harvard auf 3,75 Mio. Dollar im Jahr, schon einzelne Journale kosten bis zu 40.000 Dollar jährlich.

Künftig sollen keine Veröffentlichungen bei gierigen Verlagen mehr erfolgen. Wo es möglich ist, soll eine Open-Access-Politik implementiert werden, nach dem Vorbild von Princeton, das diesen Schritt schon früher hat. "Der Umstieg von Ivy-League-Universitäten auf Open-Access markiert eine Trendwende. Wenn große Universitäten ihre Wissenschaftler anhalten, ihre Rechte nicht mehr an Verlage abzutreten, werden andere folgen. Das ist wie ein Domino-Effekt, auch große europäische Unis werden folgen", erklärt Klaus-Rainer Brintzinger, Leiter der Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München http://www.uni-muenchen.de , gegenüber pressetext.

Unverschämte Preisgestaltung

Die kritisierten Verlage haben 2010 ein Fünftel des gesamten Harvard-Budgets für Periodika und damit fast zehn Prozent der Gesamtausgaben der Bibliothek verschlungen. Vor allem die Preissteigerung von Online-Abos mancher Traditionsanbieter erregt den Zorn der Universitäten. In den vergangenen sechs Jahren gab es Preiserhöhungen um bis zu 145 Prozent. In dem Brief der Bibliotheks-Obrigkeit wird kritisiert, dass Gewinn-Margen von bis zu 35 Prozent nicht gerade auf Freundschaftspreise schließen lassen. Am Ende des Schreibens heißt es ganz deutlich, dass der Ist-Zustand nicht länger finanzierbar sei.

Auch die Bündelung renommierter Journale mit wenig gelesenen stößt vielen Bibliotheken sauer auf. "Das aggressive Lobbying, mit dem Elsevier in den USA den 'Research Work Act' durchsetzen wollte, hat die akademische Gemeinde noch wütender gemacht", sagt Brintzinger. Über 10.000 Forscher haben sich schon zusammengetan und beschlossen, nicht mehr bei Elsevier zu veröffentlichen. Dass große US-Unis jetzt Open-Access unterstützen, ist ein weiterer Schritt, um das Oligopol einiger großer Verlage zu brechen.

Kein Verlagssterben

"Je renommierter die Institution und die Forscher, desto größer der Einfluss. Durch den Schub, den die Unterstützung von Harvard und Princeton bringt, wird Open Access in vielen naturwissenschaftlichen Fächern schon bald zum Standard werden. In der Physik ist das de facto bereits der Fall", so Brintzinger. Die Verbreitung offener Veröffentlichungen hängt aber stark vom jeweiligen Fach ab. "In einigen Fächern wird die Umstellung in wenigen Jahren vollzogen sein, andere brauchen vielleicht zehn Jahre. In den Geisteswissenschaften ist die Situation überhaupt ganz anders", sagt Brintzinger.

Noch ist der Druck auf viele junge Wissenschaftler in angesehenen Publikationen zu veröffentlichen hoch. "Open-Access-Journale bauen schneller hohe Impact-Faktoren auf als traditionelle Journale. Das Ende der großen Verlage bedeutet der Wandel aber nicht. Die Traditionshäuser werden auch mit Open-Access-Standards Geld verdienen. Die Bibliotheken müssen aufpassen, dass nicht wieder Oligopole entstehen", verlautbart der Experte.

(Ende)
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