pte20120308003 Medien/Kommunikation, Unternehmen/Wirtschaft

"History" verhöhnt Geschichte

Fernsehsender legt wenig Wert auf wissenschaftliche Methoden


Rekonstruierte Geschichte: manchmal Fiktion (Foto: pixelio.de, s.medi)
Rekonstruierte Geschichte: manchmal Fiktion (Foto: pixelio.de, s.medi)

Wien (pte003/08.03.2012/06:10) Dass bei der Präsentation wissenschaftlicher Erkenntnisse in den Medien Unterhaltung eine Rolle spielt, ist hinlänglich bekannt. Dass die Fakten unter dieser Konstellation ab und zu leiden, ebenfalls. Beim Pay-TV-Sender "History" http://www.history.de , der im gesamten deutschsprachigen Raum zu empfangen ist, wird der wissenschaftliche Anspruch regelmäßig komplett über Bord geworfen, um den Zusehern unter dem Deckmantel des Dokumentationssenders ein Geschichtsbild zu suggerieren, in dem es vor Aliens und Verschwörungen nur so wimmelt. Name und Grafikdesign vermitteln gleichzeitig falsche Seriosität.

"Hier handelt es sich um Etikettenschwindel. Mit Geschichte, die versucht die Vergangenheit anhand von Quellen zu erschließen, hat das nichts zu tun", sagt Volkhard Knigge, Inhaber des Lehrstuhls für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit am historischen Institut der Uni Jena http://www.histinst.uni-jena.de , im Gespräch mit pressetext. Die Inhalte des Senders, der im deutschen Sprachraum von A&E Television Networks http://www.aetv.com und NBC Universal Global Networks Deutschland http://www.nbc-universal.de betrieben wird, variieren in ihrem Verhältnis von Fakt zu Fiktion stark. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, nehmen es auch einige der seriöseren Formate von History nicht allzu ernst mit der Wahrheit (siehe: http://bit.ly/A0WKtx ).

Unerklärliche Phänomene

Sendungen wie "Ancient Aliens" wollen Seher glauben machen, dass Außerirdische eine Rolle bei der Entstehung menschlicher Zivilisation gespielt haben. "Historisch eingekleidete Fiktion ist kein neues Phänomen. Erich von Däniken hat in den 60er-Jahren ähnliche Ansichten in seinen Büchern verbreitet. Was sich weiterentwickelt hat, sind die Möglichkeiten der Medien zur Darstellung dieser vermeintlichen Wahrheiten", so Knigge. Die Reihe Ancient Aliens bezieht sich auf die Theorien von Erich von Däniken, dessen Vermutungen zu außerirdischen Beiträgen zur Zivilisation jeglicher wissenschaftlichen Methodik entbehren, und bereitet sie mit Grafiken und visuellen Effekten auf.

"Die Mischung von Fiktion und Geschichte ist eine Gefahr für die Erkenntnis. Durch die Verwischung der Grenzen wird historische Urteilskraft vernichtet. Wir verlieren als Menschen in einer historischen Welt an Gestaltungskraft und Orientierung", kritisiert Knigge. Trotzdem gibt es den Bezahlsender History insgesamt in 141 Ländern und 24 Sprachen.

"Die Verkaufbarkeit solcher Inhalte sagt etwas über die Bedürfnisse der Konsumenten aus. Geschichte war immer ein Ort des Eskapismus. Dass der Mensch träumen kann, ist gut. Schlecht ist, wenn diese Fähigkeit für Verkauf oder Verdummung missbraucht wird", so Knigge. Die Inhalte von History scheinen beim Publikum gut anzukommen, anders lässt sich das Überleben des Kanals als Pay-TV-Sender nicht erklären. "Als Geschichte verkleidete Fiktion kann das Bedürfnis erfüllen, Komplexität zu minimieren und vermeintliche Antworten auf Sinnfragen zu geben", erklärt Knigge.

Bewusste Irreführung

Das Problem bei Angeboten wie History ist nicht, dass sie eine imaginäre Version der Geschichte verkaufen, sondern dass sie dieses Fakt nicht klar deklarieren. Ein Blick in einschlägige Internetforen beweist, dass es Menschen gibt, die History-Weltbild für bare Münze nehmen. So sinken nach und nach die Ansprüche der Produzenten. "Die Hemmschwelle, pseudo-historischen Inhalte zu produzieren, sinkt. Was sich verkauft, wird kopiert", so Knigge. Dass im Fernsehen kein Platz für Geschichte ist, glaubt der Experte nicht." Geschichte kann seriös und spannend aufbereitet werden, wie interessante Dokumentationen öfters beweisen."

(Ende)
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