pte20120224002 Medien/Kommunikation, Technologie/Digitalisierung

Online-Medien "stehlen" Artikel aus Zeitungen

Mittel für Eigenrecherche oft zu knapp - Nutzen für beide Seiten


Diebstahl: unter Kollegen Definitionssache (Foto: pixelio.de, Dieter Schütz)
Diebstahl: unter Kollegen Definitionssache (Foto: pixelio.de, Dieter Schütz)

New York (pte002/24.02.2012/06:05) Online-Medien haben den Ruf, aufgrund von mangelnden Ressourcen nur wenig Zeit in die Recherche von Geschichten zu stecken. Oft werden deshalb Ideen aus Printmedien und immer häufiger auch aus vorwiegend fremdsprachigen Online-Quellen übernommen. Am Beispiel eines New-York-Times-Artikels, der von Forbes übernommen wurde, ist zu sehen, dass dieses Vorgehen in der Branche mittlerweile akzeptiert wird, weil beide beteiligten Publikationen profitieren können, wie Jim Romanesko http://jimromenesko.com berichtet.

"In Österreich schützt das Urheberrecht die Formulierung, nicht die Geschichte. Wenn beide Seiten mit der Situation zufrieden sind, ist das in Ordnung. Das ist eine individuelle Kosten-Nutzen-Rechnung. Es muss allerdings auf jeden Fall seriös zitiert werden, das passiert bei uns viel zu selten", sagt Franz C. Bauer, Vorsitzender der Österreichischen Journalistengewerkschaft in der GPA-djp http://www.gpa-djp.at , im Gespräch mit pressetext. Die Häufigkeit eigener Recherchetätigkeit in Online-Redaktionen nehme zwar langsam zu, gerade investigative Geschichten würden aber noch sehr häufig aus Print-Medien übernommen, so der Experte.

Bessere Aufbereitung

Bei der Geschichte, die Forbes (siehe: http://onforb.es/xahmzo ) aus der New York Times (siehe: http://nyti.ms/xt6lvq )übernommen hat, handelt es sich um eine neunseitige Reportage über die Datensammelwut des Einzelhandels. Ein Forbes-Journalist hatte die Story auf das Wesentliche zusammengestrichen, mit einer knackigen Überschrift versehen und unter Nennung der Quelle online veröffentlicht. Die Forbes-Version wurde häufiger gelesen, als die New-York-Times-Geschichte, die jetzt ebenfalls im Internet abrufbar ist. Dadurch hat Forbes finanziell profitiert. Allerdings hat die enorme Beliebtheit der Kurzform auch viel Verkehr zum Online-Auftritt der New York Times umgeleitet.

Der Autor des Originaltextes, Charles Duhigg, gibt an, kein Problem damit zu haben, dass andere den Ruhm für ihre aufwendige Recherche einsacken. So laufe das Online-Geschäft eben, so der Journalist. "Das ist auch die Schuld der Verlage, die oft ökonomische Interessen über qualitative stellen. Online-Journalisten werden de facto noch immer schlechter bezahlt als ihre Print-Kollegen, weil sie meist unter anderen Kollektivverträgen angestellt sind", erklärt Bauer. Langsam ändere sich die Situation der Online-Redakteure aber. "Die Arbeitsverhältnisse sind oft immer noch unzureichend. Das hat leider auch Auswirkungen auf die Qualität der Bewerber für neue Stellen", sagt der Journalistengewerkschafter.

Andere Sprachen

Auch die Übernahme von Texten aus fremdsprachigen Onlinemedien ist laut Bauer auf die finanzielle Situation der Online-Medien zurückzuführen. "Früher haben Qualitätsmedien Korrespondenten für wichtige Gebiete beschäftigt. Verlage, die auf Qualität setzen, sollten sich darauf zurückbesinnen. Die Finanzierung könnte über eine Presseförderung, die auf Qualität abzielt, unterstützt werden", so Bauer. Das Ersetzen von Korrespondenten durch fremdsprachige Journalistenerzeugnisse berge Gefahren. Gerade Storys aus englischsprachige Quellen verbreiten sich trotzdem täglich wie ein Lauffeuer in internationalen Online-Medien.

"Unabhängigkeit und Freiheit der Berichterstattung sind gefährdet, wenn Journalisten sich auf Sichtweisen aus einem anderen Land verlassen. Berichte aus den USA beispielsweise vertreten politisch und wirtschaftlich oft völlig andere Positionen als europäische", sagt Bauer. Beim Thema Datenschutz beispielsweise werde das evident. "Ein deutschsprachiges Online-Medium, das auf dieses Thema Wert legt sollte sich nicht auf Berichte aus den USA verlassen."

(Ende)
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