pte20120217011 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Autismus schon mit sechs Monaten erkennbar

Verbindungsbahnen zwischen Gehirnregionen unterschiedlich entwickelt


Gehirn: Verbindungsbahnen bei autistischen Babys anders (Foto: UNC)
Gehirn: Verbindungsbahnen bei autistischen Babys anders (Foto: UNC)

Chapel Hill/Marburg (pte011/17.02.2012/12:40) Schon im Alter von sechs Monaten kann man durch bildgebende Gehirnscans feststellen, ob ein Kind später Autismus entwickeln wird oder nicht. Das behaupten zumindest Forscher der University of North Carolina http://unc.edu im "American Journal of Psychiatry". Sie betonen zwar, dass ihre Erhebungsmethode noch keinen diagnostischen Test darstellt. Auch deutsche Fachexperten erkennen im Ergebnis noch keinen direkten praktischen Nutzen, werten es jedoch als wichtiges Puzzleteil für das bessere Verständnis der Störung.

Vorzeichen für späteres Verhalten

Die Forscher um Jason Wolff führten bei 92 sechsmonatigen Babys einen Gehirnscan durch. Alle Untersuchten zählten zur Hochrisikogruppe für frühkindlichen Autismus, da sie Geschwister mit diagnostiziertem Autismus hatten. In regelmäßigen Abständen bis zum 24. Lebensmonat wurden Verhaltenstests durchgeführt, die Hinweise auf autistische Entwicklung geben. Bei 28 Kindern - rund 30 Prozent - traten später tatsächlich Kriterien einer Autismus-Störung auf, bei 64 Kindern nicht.

Als die Forscher die frühen Bildgebungs-Ergebnisse bei Autisten und Nicht-Autisten verglichen, zeigten die beiden Gruppen Unterschiede in der weißen Gehirnmasse, speziell in der Entwicklung von zwölf der 15 untersuchten Nervenfasern. Sichtbar wurde dies durch die Methode des Diffusionstensors (DTI), einer speziellen Form der Magnetresonanz, die Diffusionsbewegungen von Wassermolekülen im Körpergewebe misst und räumlich aufgelöst dargestellt.

Je früher, desto besser

Eine Alternative zu bisheriger Frühdiagnostik ist damit noch nicht gefunden, betont die Autismus-Spezialistin Inge Kamp-Becker von der Marburger Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie http://www.uni-marburg.de/fb20/kjp im pressetext-Interview. "Verlässlich erkennt man Autismus heute am ehesten durch standardisierte Verhaltensbeobachtung in der Interaktion. Dabei geht es um die gelenkte Aufmerksamkeit, um Blickkontakt und die Reaktion auf Ansprache im Spiel oder bei Kleinkinder in der Interaktion mit den Eltern." Mit genug Erfahrung sei dies bei Zweijährigen möglich.

Dass man weiter nach noch früheren Erkennungsmethoden sucht, hängt mit der besseren Wirkung einer möglichst bald einsetzenden Therapie zusammen. "Spezielle Behandlungen, die bei Autisten etwa den oft ausbleibenden Sprachaufbau fördern, wirken ab dem Schulalter immer weniger. Zudem wäre für viele betroffene Kinder schon im Kindergarten interaktive Förderung wichtig: Sind sie sich selbst überlassen, lernen sie nichts, gehen aufgrund ihres Rückzugs und Alleine-Spielens in der Gruppe jedoch oft unter", erklärt die Psychologin.

Leitungen unterbrochen

Die US-Forscher sehen ihre Ergebnisse auch als Hinweis darauf, dass Autismus ein Phänomen des gesamten Gehirns ist und sich daher nicht auf spezielle Regionen beschränkt. Denn weiße Gehirnmasse, in denen die Unterschiede sichtbar wurden, sind Leitungsbahnen zur Verknüpfung verschiedener Gehirnregionen untereinander. "Die Studienlage ist noch gering, doch in jüngsten Forschungen verdichten sich die Hinweise für diese These. Scheinbar ist Autismus eine Folge verhinderter Konnektivität des Gehirns", bestätigt Kamp-Becker.

Link zum Originalartikel: http://ajp.psychiatryonline.org/Article.aspx?ArticleID=668180

(Ende)
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