pte20111004001 Medien/Kommunikation, Technologie/Digitalisierung

Mexikanischer Drogenkrieg bewirkt Web-Zensur

Kartelle setzen grausame PR-Strategie mit Gewalt durch


Kartell-Gewalt: Meinungsfreiheit im Visier (Foto. Wikipedia, ccCarlos t)
Kartell-Gewalt: Meinungsfreiheit im Visier (Foto. Wikipedia, ccCarlos t)

Mexiko-Stadt (pte001/04.10.2011/06:00) Durch exzessive Gewalt haben mexikanische Drogenkartelle erreicht, dass die Medien kaum mehr negativ über sie berichten. Das nächste Ziel der Verbrecherbanden ist das Internet. Im September wurden verstümmelte Leichen gefunden, bei denen man Warnungen an Bürger fand, die Informationen über die Kartelle via Internet verbreitet hatten. "Da die klassischen Medien in Mexiko aus Angst schon sehr viel Selbstzensur betreiben, holen sich die Leute ihre Information aus dem Internet. Jetzt wird die Situation auch im Netz immer schlimmer", sagt Steven Ellis vom Internationalen Presseinstitut http://freemedia.at gegenüber pressetext.

Machtlose Behörden

Seit Präsident Calderon im Jahr 2006 den Krieg gegen die Drogenkartelle ausgerufen hat, eskaliert die Situation ständig. Viele Bürger fürchten um ihr Leben und ihre Familie (pressetext berichtete: http://search.pressetext.com/news/20110905031 ). Offizielle Medien werden von den Banden derart eingeschüchtert, dass kritische Berichterstattung nicht mehr stattfindet. "In den letzten Monaten wurde eine ganze Reihe von Journalisten umgebracht", so Ellis. Die Behörden können gegen die gut ausgerüsteten und organisierten Verbrecher nicht viel ausrichten. "Es gibt korrupte Elemente in den Behörden. Das verschlimmert die Machtlosigkeit noch", erklärt Ellis.

Im September haben die Drogenhändler verstärkt Aktionen gegen negative Berichte im Internet lanciert. Die verstümmelten Leichen eines jungen Mannes und einer Frau wurden von einer Brücke baumelnd gefunden, wie die Financial Times berichtet. Sie waren mit einem Schild versehen, auf dem stand: "Das passiert Leuten, die komische Sachen im Internet posten. Passt auf!" Ein paar Tage später wurden die Überreste der Journalistin Maria Castro gefunden. Auch bei ihrer Leiche fand man eine Warnung an Netz-Reporter. "Es ist noch unklar, wie die Gangster Castro identifizieren konnten. Sie hatte ein anonymes Social-Media-Posting online gestellt", sagt Ellis.

Mutige Bürger

Die Kartelle benutzten das Internet auch, um Werbung in eigener Sache zu machen. Sie versuchen, ein möglichst positives Bild ihrer Aktivitäten über soziale Medien zu verbreiten. Die Verbrecher versuchen auch ihre Rivalen zu denunzieren. Wer den Krieg im Netz gewinnt, ist noch nicht entschieden. "Ob die Strategie der Banden aufgeht, hängt vom Mut der Bürger ab. Solange sie das Gefühl haben, sich einigermaßen anonym im Netz bewegen zu können, werden die Informationen über die Kartelle nicht verschwinden. Aktivisten müssen deshalb noch bessere Vorkehrungen treffen, um ihre Identität im Netz zu schützen", erklärt Ellis. Das Internet zu kontrollieren ist also eine schwierigere Aufgabe, als traditionelle Medien einzuschüchtern.

Die Drogenkartelle darf man nicht unterschätzen. Die Kontrolle der traditionellen Medien funktioniert so gut, dass der Arbeitgeber von Castro erst sehr spät über ihren Tod berichtete und zwar sehr oberflächlich und an unprominenter Stelle. "Wir hoffen natürlich, dass Angriffe auf Internetaktivisten selten bleiben. Ich fürchte aber, dass wir noch öfter solche Vorfälle mitansehen müssen", sagt Ellis. Inwieweit die Betreiber der technischen Infrastruktur von den Drogenclans infiltriert sind, ist nicht bekannt. Ohne Informationen aus dem Netz würden die Bewohner von Mexiko kaum mehr etwas über die Gewalttaten der Mafia erfahren.

(Ende)
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