pte20110919027 Politik/Recht, Medien/Kommunikation

Guardian: Polizei will Quellen rauspressen

Spionage-Gesetz aus Zeiten des Kalten Kriegs hebelt Pressefreiheit aus


News of the World: Nach Skandal aufgelassen (Foto: flickr, Gene Hunt)
News of the World: Nach Skandal aufgelassen (Foto: flickr, Gene Hunt)

London (pte027/19.09.2011/13:57) Die Aufdecker des News-of-the-World-Skandals beim Guardian sollen von der Polizei mittels des "Official Secrets Act" gezwungen werden, ihre Quellen zu offenbaren. Das ruft in Pressekreisen weithin Unverständnis hervor, da es der Guardian war, der die skandalösen Vorgänge bei der Boulevardzeitung aufgedeckt hat, während polizeiliche Ermittlungen in dieser Sache lange im Sand verliefen. Nur dem Guardian ist auch die Verhaftung der Newscorp-Offiziellen Rebekah Brooks und Andy Coulson - seines Zeichens Ex-Berater von Premier Cameron - zu verdanken. Gleiches gilt für die Aufdeckung des skrupellosen Vorgehens der Zeitung im Fall der Entführung und Ermordung von Milly Dowler.

"Auch in der Bundesrepublik Deutschland wurde immer wieder versucht, das Redaktionsgeheimis aufzuweichen - zumeist im Rahmen der Terrorismusbekämpfung", so Hans Gliss, Chefredakteur der Fachzeitschrift Datenschutzberater http://datenschutz-berater.de , im Gespräch mit pressetext.

Official Secrets Act als Hebel

"Es ist ein empörender Missbrauch und komplett unakzeptabel, wenn sich die Polizei jetzt gegen den 'Guardian' wendet, nachdem sie mehr als ein Jahrzehnt lang versagt hat, den Verfehlungen der 'News Of The World' nachzugehen", meint der ehemalige Labour-Minister Tom Watson dazu im Guardian. Der aktuelle Chefredakteur, Alan Rusbridger, gab zu verstehen, dass alle juristischen und sonstigen Mittel gegen diese Taktik in Stellung gebracht werden: "Wir werden uns bis aufs Äußerste gegen diese Forderung zur Wehr setzen."

Der sogenannte Official Secrets Act stammt aus dem Jahr 1989 und war im auslaufenden Kalten Krieg gegen Spionage gerichtet. Ausgerechnet dieses Relikt soll jetzt erstmals benutzt werden, um demokratische Grundrechte zu Fall zu bringen. Konfrontiert mit diesem Sachverhalt meint Gliss: "Das wäre eine Katastrophe für den Journalismus. Das erinnert mich an die Spiegel-Affäre aus 1961. Zum Glück hat der Spiegel das damals gewonnen." Das verärgert auch Menschrechtsanwalt Geoffrey Robertson: "Den Official Secrets Act zu benutzen, um eine journalistische Quelle offenzulegen, ist eine Schandtat

Britische Polizei wiegelt ab

Die Polizei hat die Anschuldigungen, sich gegen investigativen Journalismus zu wenden, dementiert: Der Standpunkt des Guardian sei bekannt. Allerdings handelt es sich bei der Angelegenheit nicht zuletzt wegen der Verwicklung von Andy Coulson in die Affäre um eine der sensibelsten Fälle in vergangener Zeit, ein Leak liege nicht im öffentlichen Interesse.

Unterdessen reagierte der Anwalt der im Jahr 2002 entführten und später ermorderten Jugendlichen Milly Dowler und nannte das Vorgehen der Exekutive eine "Alice-im-Wunderland-Justiz". News-of-the-World-Mitarbeiter hatten ihren Telefonanschluss gehackt und Nachrichten aus der Mailbox gelöscht.

(Ende)
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