pte20110916002 Medien/Kommunikation, Politik/Recht

Kuba: Handys als Waffe gegen Desinformation

Mobiltelefone verbreiten dissidente Nachrichten


Fidel Castro: Revolution ist am Ende (Foto: flickr, Christian Córdova)
Fidel Castro: Revolution ist am Ende (Foto: flickr, Christian Córdova)

Havanna (pte002/16.09.2011/06:00) Die zunehmende Verbreitung von Mobiltelefonen in Kuba ermöglicht es erstmals, in größerem Umfang Neuigkeiten zu verbreiten, die nicht von den staatlich gelenkten Medien abhängen. Allerdings ist es noch zu früh, sich nach dem Arabischen Frühling einen Kubanischen Herbst zu erwarten, sagen Experten.

"Die Leute werden sich nicht trauen. Die hätten das schon längst machen können. Warum also jetzt, nur wegen den Handys?", ist die gebürtige Kubanerin Jacqueline Hechavarria Carbonell vom österreichischen Lateinamerika-Institut http://lai.at im Gespräch mit pressetext skeptisch. Denn Kuba hat ein massives Technologie-Defizit: Zwar besitzen viele junge Menschen schon Handys, der Zugang zum Internet wird aber restriktiv behandelt. Zusätzlich ist die Bandbreite sehr gering.

Polizei sperrt Infanta

Am 9. September sperrte die Polizei die Straße an der Ecke Infanta und Manglar in Havanna. Ziel der Beamten war eine anglikanische Kirche, in der Mitglieder ein Sit-in veranstalten. Jemand machte mit dem Mobiltelefon ein Bild, eine SMS wurde ans gesamte Adressbuch geschickt. 24 Stunden später wußte ganz Havanna en detail, was Pastor Braulio Herrera und seien Getreuen widerfahren war. Für die staatlichen Medien ist es zu diesem Zeitpunkt bereits schwer, die unliebsame Nachricht nicht zu kommentieren. Die übliche Vorgehensweise ist, dass das kubanische Staatsfernsehen dann solches Filmmaterial sendet und behauptet, dass ein propagandistischer Medienangriff auf die Insel stattfindet.

Ein Grund dafür, dass die Opposition auch bewusst beginnt, selbst das Ruder in die Hand zu nehmen ist, dass Kubas neuer Präsident Raul Castro einen Kurs der Öffnung fährt: Den Staat zu kritisieren, ist nicht mehr Tabu. Etliche politische Gefangene wurden in letzter Zeit entlassen. Die meisten von ihnen verlassen Kuba in Richtung Spanien. Man will also trotz Personalproblemen sichtbar bleiben, auch für Exilkubaner.

Exilkubaner erhöhen Druck

Unterdessen posten die Exilkubaner im Netz, damit Kuba umgekehrt nicht unsichtbar für die Welt bleibt. Yoani Sanchez, eine politische Dissidentin, die durch ihren Blog Generacion Y http://desdecuba.com/generaciony bekannt wurde, ist eine dieser Exilkubaner. Inzwischen schreibt sie für die New York Times und ist sehr aktiv auf Twitter.

Bis die Kubaner allerdings einen Breitband-Anschluss ihr Eigen nennen können, dürfte aber noch einige Zeit vergehen: Zwar wurde bereits lange die Highspeed-Verbindung mit Venezuela angekündigt, die die Geschwindigkeit des kubanischen Internets um den Faktor 3.000 beschleunigt. Die Behörden sind sich der Macht des Web allerdings bewusst: Die Leitung ist nicht für kubanische Haushalte gedacht. In einem US-amerikanischen diplomatischen Dokument aus dem Jahr 2009, das auf Wikileaks veröffentlicht wurde, wird Kommunikationstechnologie als Schlüssel zum politischen Wandel bezeichnet. Man soll sogar illegale Downloads aus Kuba fördern, anstatt sie zu unterbinden. Bis es so weit ist, nehmen die Kubaner ihr Handy in die Hand und spielen auf eigene Faust Reporter.

(Ende)
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