pts20001017012 Auto/Verkehr, Unternehmen/Wirtschaft

Seilbahn in St. Niklaus VS: Lebenswichtig für die Alp Jungen

Finanzierung mit Unterstützung der Schweizer Berghilfe


St. Niklaus (pts012/17.10.2000/10:00) 1965 wurde die Luftseilbahn St. Niklaus - Jungen gebaut, 1979 von einer Genossenschaft übernommen und vollständig erneuert. Ohne diese Seilbahn wäre die Alp Jungen 900 m über dem Mattertal nicht lebensfähig. Neue Sicherheitsvorschriften machten aber einen Umbau notwendig, der 1999 erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Seit dem 24. April 1999 ist die umgebaute Seilbahn in Betrieb.

5.169 Fahrten unternahm die Seilbahn Jungen im Jahre 1999. 78.700 Franken Einnahmen wurden erwirtschaftet. Wegen Abschreibungen wird zwar meist ein Verlust ausgewiesen, doch man darf die Seilbahn mehr oder weniger als selbsttragend bezeichnen. Nur: Wenn bauliche Massnahmen in der Höhe von 820.000 Franken vorgenommen werden müssen, reichen die eigenen Mittel natürlich nicht mehr aus.

Das interkantonale Konkordat für Seilbahnen erliess im Jahre 1995 neue Sicherheitsvorschriften. Der benzinhydraulische Antrieb in der Talstation musste durch einen Wechselstromantrieb ersetzt werden. Die Geschwindigkeit wird jetzt automatisch geregelt, die Anlage elektronisch kontrolliert. Die gesamte Steuerung benötiogte mehr Platz, weshalb ein Anbau nötig wurde. Verlangt wurde auch ein Notantrieb, der vom Stromnetz unabhängig ist. Weil das Gehänge der Kabine aus Sicherheitsgründen länger wurde (Pendelfreiheit), musste die Bergstation höher gesetzt werden. Von den fünf Stützen mussten einzelne verstärkt werden. "Nach 20 Jahren wären so oder so Investitionen nötig gewesen" betont Beat Lochmatter, Präsident der Seilbahn-Genossenschaft.

Die Genossenschaft arbeitete einen Kostenvoranschlag in der Höhe von 819.400 Franken aus, wovon 760.000 Franken auf die seilbahntechnische Ausrüstung fielen, rund 70.000 auf die Umbauten der beiden Stationen. Unter drei Bewerbern erhielt die Goldauer Firma Garaventa den Zuschlag für die Ausrüstung der seilbahntechnischen Anlagen. Die übrigen Arbeiten (Umbauten der beiden Stationen) konnten an einheimische Firmen vergeben werden.

Wie finanziert eine Seilbahn-Genossenschaft mit einem Kapital von (zurzeit) 360.000 Franken einen solchen Umbau? Die Subventionen von Bund, Kanton und Gemeinden beliefen sich auf 340.000 Franken, die Patenschaft für Berggemeinden sicherte 50.000 Franken zu, die SCHWEIZER BERGHILFE übernahm 100.000 Franken und vermittelte einen anonym bleibenden Spender mit 40.000 Franken. Für die Genossenschaft verblieb ein Betrag von 347.357 Franken. (Der Kostenvoranschlag wurde um 57.000 Franken überschritten).

Alp mit sanftem Tourismus

Die Gemeinde St. Niklaus hat 2.400 Einwohner, eingerechnet die Dörfer Gasenriet und Herbriggen. Wichtigster Arbeitgeber ist Scintilla: Im Mattertal werden die Schneidewerkzeuge für die im Hauptwerk Solothurn hergestellten Elektrohandwerkmaschinen hergestellt: 420 Personen finden hier Arbeit.

Die Alp Jungen hatte früher eine grössere Bedeutung: Sie war Etappenort auf einem Säumerweg, der bis nach Chamonix führte. Die Kapelle sowie die ältesten der 30 Häuser sind Zeugen aus dieser Zeit. Das Baumaterial wurde einst mit Maultieren auf die Alp gebracht. Der Brite Keith Reynolds beging vor etwa drei Jahrzehnten den ehemaligen Säumerweg und schrieb ein Buch darüber: Chamonix-Verbier-Zinal-Jungen-Zermatt heisst die Route. Reynolds ist auch heute noch oft Gast in St. Niklaus, zum letztenmal im September. Für den sanften Tourismus ist Jungen noch immer (oder wieder) beliebt: Wanderungen in diesem Gebiet sind besonders reizvoll. Man sieht elf Viertausender, von der Mischabel-Gruppe über den Dom bis zu Matterhorn und Breithorn. Bei bestem Sonnenschein ist auch der Aletsch-Gletscher zu erkennen. Beliebt sind bei den Wanderern der Höhenwerg Moosalp und die Verbindung ins Turtmanntal. Skifahren kommt am lawinengefährdeten Südhang kaum in Frage. Im Frühling gibt es einzelne Wagemutige, die Touren unternehmen.

In Jungen werden einzelne Ferienwohnungen vermietet. Es gibt auch ein Matrazenlager für zehn Personen. Touristen kommen im Sommer und Herbst. Im Juli 1999 wurden 4700 Personen befördert. Dies ist der bisherige Rekord für die Seilbahn.

Auf der Alp werden 35 bis 40 Kühe gesömmert. Sie fahren aber nicht mit der Seilbahn, sondern werden auf dem schmalen, steilen Fussweg getrieben. Anfang November findet wieder ein Alpaufzug statt: Die Tiere fressen dann auf der Alp das im Sommer eingebrachte Heu. Früher, als mehr Schnee fiel, musste der Weg mühsam freigeschaufelt werden. Jetzt ist dies ein wenig einfacher.

Der Fahrplan ist entsprechend angelegt: 1./2. Januar fünf Fahrten täglich, 3. Januar bis 10. März zwei Fahrten täglich. 11. März bis 9. Juni fünf, 10. Juni bis 10. September zwölf, 11. September bis 29. Oktober acht und 30. Oktober bis 31. Dezember fünf Fahrten im Tag. Am Wochenende sind zusätzliche Fahrten vorgesehen. Extrafahrten sind auf Bestellung möglich, kosten aber etwas mehr ald die Fr. 8.50 bei fahrplanmässiger Benützung. Normalerweise stehen zwei Kabinen im Einsatz. Die eine kann aber mit einer Tranport-Barelle ausgewechselt werden. Die Kabinen sind mit Telefon und einem Notstopp-Knopf ausgerüstet. Die dritte Stütze (ungefähr in Streckenmitte) ist mit einem Ausstiegspodest ausgerüstet.

"Rund die Hälfte der Seilbahnbenützer sind Einheimische" sagt Genossenschaftspräsident Beat Lochmatter. Die anderen 50 % sind Touristen.

Drei Pensionäre bedienen die Bahn im Turnus. "Die feste Anstellung einer Person wäre für uns zu teuer" stellt Beat Lochmatter fest. Die Genossenschaft zählt 128 Mitglieder, die je 3000 Franken beigetragen haben. Die Gemeinde St. Niklaus zahlt jährlich 6.000 Franken.

Die Alp wird betrieben, das Gras regelmässig gemäht: Es besteht keine Gefahr der Vergandung. In der Saison ist in Jungen sogar ein Restaurant geöffnet. Die Gemeinde hat einen Teich anlegen lassen, umsäumt von Grillplätzen.

Alles ist nur möglich dank der Seilbahn. "Ohne die Seilbahn würde die Alp wahrscheinlich nicht mehr existieren. Die Verbindung ist für die Jungen lebenswichtig" sagt Lochmatter.

Marcel Fuchs hatte 1965 als Privatmann die erste Seilbahn St. Niklaus-Jungen erstellt: In der Folge konnten damals mehrere Häuser gebaut werden. Fuchs verkaufte im Jahre 1979 die Bahn der neugebildeten Genossenschaft, die auf dem bestehenden Trassee eine neue Seilbahnerstellte: Dieser Pionier ist im Mattertal nicht vergessen.

Anlagebeschrieb

Zweispurige Pendelbahn mit je einem Tragseil (festgespannt). Antrieb mit einem Antriebsrad und drei Gegenrädern in der Talstation. Wechselstrommotor. Benzinhydraulischer Notantrieb. Die Bahn wird vom Maschinisten aus der Talstation betrieben. Audio/Video-Anlage zur Ueberwachung von Stütze 3 (Ausstiegspodest) und Bergstation. Schnellwechselkupplung auf Fahrspur 1, die wahlweise mit einer Kabine oder Materialbarelle betrieben werden kann.

Höhe Talstation: 1138, 8 m.ü,M.
Höhe Bergstation: 1990,5 m.ü.M.
Fahrbahnlänge: 2029 m
Höhendifferenz: 871,7 m
Tragseil: 25 mm Durchmesser
Zugseil: 3 mm Durchmesser
Telefonseil: 14,25 mm Durchmesser
Nutzlast: 320 kg.
Leistung Hauptmotor: 37 kW, 1470 U/min.
Fahrzeit: 8,55 Min
Geschwindigkeit: 4,5 m/sec.

(Ende)
Aussender: Schweizer Berghilfe SBH
Ansprechpartner: Marcel Peier
Tel.: 01 712 60 60
E-Mail: info@berghilfe.ch
Website: www.berghilfe.ch
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