pte20000504012 Umwelt/Energie

Kleinhirnzellgruppen messen Zeitintervalle

Purkinje-Zellen nehmen Nervenimpulse auf


Tübingen (pte012/04.05.2000/11:30) Das Kleinhirn-Volumen ist zweifellos kleiner als das des Großhirns, aber die Zahl der Nervenzellen, also die Zahl der elementaren Bausteine des Gehirns, die die Rechenleistung des Gehirns bedingen, übertrifft die des Großhirns bei weitem. Bei mikroskopischer Betrachtung gleicht es einem regelmäßig gebauten Kristall, der drei senk-recht aufeinander stehende Vorzugsachsen aufweist. Eine dieser Achsen wird durch die Verlaufsrichtung dichter Nervenfaserbündel, der Parallelfasern, bestimmt, auf denen sich Nervenimpulse mit einer konstanten Geschwindigkeit ausbreiten. Die sogenannten Purkinje-Zellen sind entlang der Parallelfaserbündel angeordnet und greifen die Nervenimpulse von den Parallelfasern ab. Sie "sehen" diese Nervenimpulse je nach ihrer Position einige Sekundenbruchteile früher oder später, messen also gleich einer Stoppuhr Zeitintervalle.

Neurologen des Universitätsklinikum Tübingen Neurologie http://www.medizin.uni-tuebingen.de/ und vom Weizmann Institute in Rehovot, Israel, haben nun in gemeinsamen Experimenten wichtige physiologische Erkenntnisse dafür erbringen können, dass nicht einzelne Purkinjezellen sondern Gruppen solcher Purkinjezellen - gleichsam im Konzert - Zeiten messen. In ihren Experimenten konnten sie zeigen, dass solche Zellgruppen die Dauer von schnellen Augenbewegungen bemessen. Solche Augenbewegungen werden in erster Näherung mit konstanter Geschwindigkeit ausgeführt. Sie werden umso größer, je länger sie dauern.

Mit anderen Worten, das Kleinhirn bestimmt das genaue Ausmaß der Bewegung dadurch, dass es eine präzise, wohlbemessene Bewegungsdauer vorgibt. Nicht nur Augenbewegungen sondern jede Art von Bewegung muss präzise zeitlich abgestimmt werden. Und nicht nur Bewegungen sondern auch Wahrnehmung, Denken und Fühlen finden in der Zeit statt und müssen in der Zeit abgestimmt werden.

Die Befunde sprechen dafür, dass das Kleinhirn eine elementare Leistung, die Messung von Zeitdauern für eine Vielfalt von höheren Hirnleistungen bereitstellen könnte. Der Verlust dieses elementaren Prinzips bei Kleinhirnerkrankungen erklärt, dass Motorik, aber auch Wahrnehmen, Handeln, Denken und Fühlen zwar noch möglich sind, aber an Genauigkeit, an Präzision und an Abstimmung verlieren. Informationen: Prof. Dr. Hans-Peter Their, E-Mail: thier@uni-tuebingen.de (idw)

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