pte20120725006 Medien/Kommunikation, Politik/Recht

Afghanistan: Twitter im Vormarsch

Präsidentschaftswahlkampf 2014 auch im Internet geführt


Afghanischer Handyladen: Online-Nutzung steigt (Foto: Flickr/Afghanistanmatters)
Afghanischer Handyladen: Online-Nutzung steigt (Foto: Flickr/Afghanistanmatters)

Kabul/Berlin (pte006/25.07.2012/06:10) Zehn Jahre nachdem die Taliban moderne Technologien als "antiislamisch" bezeichneten und sie verbannten, boomen soziale Netzwerke in Afghanistan. Die Entwicklung macht auch vor Politikern und Kriegsherren nicht Halt, die im Internet eine neue Möglichkeit gefunden haben, um ihre Botschaften an ein breites Publikum anzubringen. Dieses ist freilich zahlenmäßig noch übersichtlich - von 30 Mio. Afghanen haben zwei Mio. Zugang zum Internet.

Twitternder Kriegsherr

Vor allem durch Smartphones wächst der Online-Zugang im Land stetig. Die Rolle von sozialen Medien im Arabischen Frühling konnte auch den ehemaligen Kriegsherr Abdul Rashid Dosdum dazu bewegen, sich auf Twitter und Facebook Konten einzurichten. Dosdum, laut Experten der Führer der Usbekischen Minderheit, ist Mitglied der Nationalen Front, die sich für die Präsidentschaftswahlen 2014 in Stellung bringt. Sein Berater Homayoon Haqbeen sagt, dass nahezu alle aktiven Politiker und viele Politik interessierte Afghanen auf Facebook und Twitter zu finden sind.

Kein Geld für Smartphones

"Da 70 Prozent der Bevölkerung Analphabeten sind, bezweifle ich sehr, dass sich soziale Medien auf die Politik Afghanistans stark auswirken können. In vielen Regionen gibt es keinen Strom und kein Geld für Computer und Smartphones. Viele haben einfach keine Möglichkeit ins Internet zu gelangen", sagt Nahost-Journalist und Autor des Buches "Das Knurren des Panzers im Frühling" Sebastian Christ http://bit.ly/LL4bus gegenüber pressetext.

Laut Christ werden soziale Medien vor allem für Propaganda verwendet - um Bilder von Anschlägen auf die Besatzungstruppen zu verbreiten. "Ich glaube, dass Twitter und Facebook keinen entscheidenden Einfluss auf die Politik Afghanistans haben wird. Eine Online-Bewegung sehe ich nicht", so der Experte.

Taliban würden Internet sofort verbieten

Die fundamentalen Islamisten herrschten von 1996 bis 2001 über Afghanistan und verbaten das Internet. Die Taliban-Bewegung bezeichnete es als "Werkzeug westlicher Propaganda. Heute, zehn Jahre später, erfreuen sich Twitter und Facebook bei den Taliban großer Beliebtheit, um ihre Weltanschauung zu verbreiten und mit Angriffen auf Nato-Truppen zu prahlen.

Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid sagt, dass man die Nutzung des Internets sofort verbieten würde, wenn es für "antiislamische" Zwecke genützt würde. Fürs Erste sei man aber damit zufrieden, es für eigene PR-Zwecke einzusetzen: "Die Führung des islamischen Emirats Afghanistan betrachtet soziale Medien als nützliches Werkzeug, um Botschaften an die afghanische Bevölkerung und Ausländer weiter zu geben."

Front gebildeter Afghanen

2014 ist nicht nur das Jahr der Präsidentschaftswahlen, es ist auch das Jahr des geplanten Rückzugs von 130.000 NATO-Soldaten. Einige junge Parlamentarier haben zu diesem Thema Facebook-Seiten angelegt. "Als Parlamentsmitglied finde ich, dass Facebook für Politiker eine wunderbare Möglichkeit ist, die eigene Arbeit und Persönlichkeit zu bewerben", schreibt Nachwuchspolitiker Houmaira Ayoubi.

Die afghanische Bevölkerung nutzt soziale Medien, um einen sozialen und politischen Umschwung auszulösen. Die Bewegung "Young Woman for Change" hat in Kabul das erste Internetcafe für Frauen eröffnet. Benannt wurde es nach Sarah Gul, einer 15-Jährigen, die von ihrem Verlobten gefoltert und eingesperrt wurde. Die Geschäftsführerin Tooba Ahmadyar sagt: "Wenn die Araber es geschafft haben, das Internet für die Mobilisierung gegen Diktatoren einzusetzen, dann könnten wir eine starke Front von gebildeten afghanischen Männern und Frauen bilden, die sich gegen die Unterdrückung und für unsere Rechte einsetzten."

(Ende)
Aussender: pressetext.redaktion
Ansprechpartner: Peter Oslak
Tel.: +43-1-81140-316
E-Mail: oslak@presstext.com
Website: www.pressetext.com
|