pte20200525001 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Schmerzen: Geschlechter-Bias bleibt stark

Studie der McGill University hat über als 1.000 wissenschaftliche Artikel akribisch ausgewertet


Frau: Schmerz ist andes als beim Mann (Foto: pixelio.de, Beßler/Havlena)
Frau: Schmerz ist andes als beim Mann (Foto: pixelio.de, Beßler/Havlena)

Quebec (pte001/25.05.2020/06:00) Männer und Frauen sowie männliche und weibliche Nagetiere verarbeiten Schmerz verschieden. Es gibt auch wichtige Unterschiede in den zugrunde liegenden Mechanismen auf genetischer, molekularer, zellulärer und physiologischer Ebene. Trotzdem zeigt eine Übersichtsarbeit der McGill University http://mcgill.ca , dass die Schmerzforschung durchwegs auf der Untersuchung männlicher Nagetiere basiert. In der Folge werden Hypothesen getestet, die auf früheren Experimenten mit männlichen Tieren beruhen.

Langsame Trendwende

Damit wird ein wichtiger blinder Fleck in der Schmerzforschung sichtbar, vor allem, wenn es um Fortschritte bei der Erforschung neuer Medikamente geht. Das ist problematisch, da es gut dokumentiert ist, dass die meisten Patienten, die unter chronischen Schmerzen leiden, Frauen sind. Laut Forschungsleiter Jeffrey Mogil ist die Schmerzliteratur einseitig, da bei Experimenten überwiegend männliche Tiere eingesetzt werden und Forscher daher immer mehr über die Biologie des Schmerzes bei Männern lernen. Der falsche Schluss sei, dass es sich dabei um die Biologie des Schmerzes handle. "Es ist aber nur die Biologie des Schmerzes bei Männern."

Kanadische Förderinstitutionen begannen, das Geschlecht als biologische Variable 2006 anzuerkennen und ersuchten Schmerzforscher, auch weibliche Nagetiere bei ihren Experimenten einzusetzen. In den USA kam es 2016 zur ähnlichen Entwicklung. Mogil analysierte mehr als 1.000 Artikel, die zwischen Januar 2015 und Dezember 2019 in dem führenden Fachmagazin "Pain" erschienen waren. Ab 2016 kamen in Studien immer mehr Tests mit männlichen und weiblichen Nagetieren vor. Der Prozentsatz von rein männlichen Studien sank von 80 Prozent im Jahr 2015 auf 50 Prozent im Jahr 2019.

Gleiche Forschungsdesigns

Auf den ersten Blick weist das Vorhandensein dieser Artikel auf eine vielversprechende Veränderung im Forschungsdesign hin. Die genauere Analyse ergab jedoch klare Belege für einen anhaltenden männlichen Bias. "Die Ideen für Experimente basieren auf Untersuchungen mit männlichen Tieren und daher arbeiten sie auch mit ihnen. Ich habe entdeckt, dass in diesen Artikeln beide Geschlechter tatsächlich getestet wurden und die Ergebnisse zu den Unterschieden der Geschlechter berichtet wurden. Die in den Experimenten überprüfte Hypothese war bei männlichen Tieren in 72,4 Prozent der Fälle richtig. Bei weiblichen Tieren lag dieser Wert bei nur 27,6 Prozent", verdeutlicht Mogil.

Wenn es in der Literatur keinen Bias gab und eine Anzahl von Tests, in denen das Experiment bei einem Geschlecht funktionierte und nicht beim anderen, dann sollten diese bei weiblichen Tieren so oft funktionieren wie bei männlichen, so Mogil. Der Forscher führt das darauf zurück, dass die überprüfte Hypothese auf Daten früherer Experimente mit ausschließlich männlichen Tieren basierte. Daher funktionierten sie auch nur bei männlichen Tieren. Laut Mogil zeigen die in "Nature Reviews Neuroscience" veröffentlichten Ergebnisse, dass es noch dauern wird, bis Schmerzmittel entwickelt werden, die bei Frauen wirklich wirksam sind.

(Ende)
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