pts20140624010 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Studie von Levine et al. zeigt Risiken bei hohem Konsum tierischer Proteine

Informationen des Dr. Jacobs Instituts zur sinnvollen Proteinaufnahme


Heidesheim am Rhein (pts010/24.06.2014/11:00) "Viel Protein ist gesund. Für eine ausreichende Proteinzufuhr brauchen wir Fleisch- und Milchprodukte." Diese Meinung ist weit verbreitet und schürt Angst vor einem Proteinmangel nicht zuletzt aufgrund von intensivem, meist verstecktem Lobby-Informationsmarketing. Dabei nehmen die Deutschen derzeit im Durchschnitt täglich 15 bis 20 Gramm mehr Protein auf als offiziell empfohlen. Allerdings liegt auch bei etwa 11 % der Männer und 15 % der Frauen die Proteinaufnahme unter der Zufuhrempfehlung. Ist die Angst um einen Proteinmangel begründet? Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat zu viel Protein? Und was ist die beste Proteinquelle?

Neueste Studienergebnisse lassen Protein in einem anderen Licht erscheinen

In einer aktuellen Studie von Levine et al. (2014) war eine doppelt so hohe Proteinzufuhr im Alter zwischen 50 und 65 Jahren mit einer um 75 % erhöhten Gesamtmortalität nach 18 Jahren und einer vierfach erhöhten Krebsmortalität assoziiert. Diese Effekte traten nicht oder nur stark vermindert auf, wenn es sich dabei um pflanzliches Protein handelte. Etwa 70 % des Proteins wurde aus tierischen Lebensmitteln aufgenommen. Bei Personen ab 65 Jahren ging eine erhöhte Proteinzufuhr hingegen mit einer reduzierten Gesamt- und Krebsmortalität einher. Die Diabetesmortalität war über alle Altersgruppen hinweg bei hoher Proteinaufnahme um das Fünffache erhöht (Levine et al., 2014). Dies zeigt auch die EPIC-Studie (Sluijs et al., 2010): Im Follow-up von zehn Jahren erhöhte der reichliche Verzehr von tierischem Protein das Diabetesrisiko um 118 %, pflanzliches Protein verhielt sich neutral. Der besonders reichliche Verzehr von Kohlenhydraten erhöhte das Risiko nur um 15 %, Ballaststoffe senkten es. Wie lassen sich diese Studienergebnisse erklären?

Personen unter 65 essen meist zu viel Protein

Eine erhöhte Proteinzufuhr aus tierischen Lebensmitteln bringt eine ungünstige Aminosäure-Zusammensetzung sowie zahlreiche negative Begleitstoffe mit sich, zum Beispiel gesättigte Fettsäuren, Cholesterin, Methionin, oft auch Hormone, resistente Keime und Kanzerogene (zum Beispiel PAKs). Verarbeitete tierische Lebensmittel liefern zudem viel Natriumchlorid, säurebildendes Phosphat und Sulfat und fördern so eine latente Übersäuerung. Entsprechend weitreichend sind die damit einhergehenden gesundheitlichen Auswirkungen. Aus diesem Grund ist eine zu hohe Proteinzufuhr bei Menschen im mittleren Alter, die nicht mehr wachsen und keine Muskeln aufbauen, besonders ungünstig. Die tägliche Zufuhrempfehlung von 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Normalgewicht (ca. 50-60 Gramm/Tag) enthält bereits einen Sicherheitszuschlag und ist in der Regel mehr als genug.

Tierisches Protein fördert Bluthochdruck, Diabetes und Krebserkrankungen

Tierisches Protein ist reich an Lysin. In den großen Mengen, die in der westlichen Ernährung aufgenommen werden, führt die essentielle Aminosäure Lysin, dessen Aufnahmemenge normalerweise die Kollagenbildung limitiert, zu einer vermehrten Bildung von kollagenem Bindegewebe und zu einer Verdickung der Basalmembran. Die Folge sind auf Dauer Bluthochdruck und ein erhöhtes Diabetesrisiko. Dies erkannte bereits in den 1940er Jahren Prof. Dr. med. Lothar Wendt, der das Konzept der Eiweißspeicherkrankheiten (Hypoporopathie) prägte. Demnach wird überschüssiges, vor allem tierisches Protein in Bindegewebszellen gespeichert, was über eine Verdickung des Kollagengeflechtes, der Basalmembran und der Gefäßwände schließlich zu Bluthochdruck und Diabetes führt. Seit langem ist aus zahlreichen Studien bekannt, dass das Risiko für Hypertonie und Diabetes bei pflanzenbasierter Ernährung sehr stark reduziert ist.

Über verschiedene Faktoren fördert eine hohe Proteinzufuhr auch Krebserkrankungen. Eine proteinreiche Ernährung erhöht die Blutspiegel des anabolen IGF-1. IGF-1 fördert das Zellwachstum und hemmt die Apoptose, wodurch es Krebserkrankungen begünstigt.

Junge Frauen, Veganer und ältere Menschen sind mangelgefährdet

Bestimmte Bevölkerungsgruppen sollten jedoch auf eine ausreichende Proteinzufuhr achten. Hierzu gehören Mädchen und junge Frauen, die für eine schlanke Linie häufig insgesamt wenig und oft vor allem wenig Gesundes essen, Veganer sowie ältere Menschen ab 70 Jahren.

Ältere Menschen leiden häufig an einer latenten Übersäuerung des Körpers. Vor allem im Alter geht diese mit einem Verlust an Muskel- und Knochenmasse einher. Zur Verhinderung des Muskelabbaus sollten sie täglich etwa ein Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen und durch regelmäßige Bewegung Muskeln und Knochen vor einem frühzeitigen Abbau schützen. Zudem wirken basenbildende Kaliumverbindungen aus Gemüse, (Wild-)Kräutern und Obst, zum Beispiel Kaliumcitrat, dem Muskel- und Knochenabbau entgegen und verringern den Calcium- und Proteinbedarf.

Eine übermäßige Proteinaufnahme sollte jedoch auch in höherem Alter vermieden werden. Dabei ist die sinnvolle Kombination von pflanzlichen Proteinquellen, wie Vollkorngetreide mit Hülsenfrüchten, die beste Wahl. Diese erreicht eine hohe biologische Wertigkeit und ist auch für Veganer wichtig, um ausreichende Mengen aller Aminosäuren aufzunehmen. Pflanzliche Proteinquellen liefern zudem wenig Natrium, aber reichlich basenbildende Kaliumverbindungen, die den Blutdruck normalisieren helfen. Zu einer natriumreduzierten, kaliumreichen Ernährung hat jüngst auch die WHO eine "nachdrückliche Empfehlung" ausgesprochen.

Lysin - kritisch bei pflanzlicher Ernährung

Bei veganer Ernährung kann die Aufnahmemenge der Aminosäure Lysin kritisch sein. Lysin ist die wichtigste essentielle Aminosäure für die Kollagenbildung und nötig für die effektive Bildung von elastischem Bindegewebe, das auch unsere Gefäße stabil macht. Ein Lysinmangel äußert sich unter anderem in einer Bindegewebsschwäche (zum Beispiel schlaffe Haut, vermehrte Anfälligkeit für Blutergüsse) und einer Immunschwäche.

Lysinreiche pflanzliche Lebensmittel sind insbesondere Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Amaranth und Quinoa. Veganer sollten hiervon täglich mehrere Portionen zu sich nehmen, um ihren Lysinbedarf zu decken.

Langlebige Vorbilder: Okinawa und die Adventisten

Alle sogenannten Blue Zones (Buettner, 2009), wissenschaftlich untersuchte Regionen mit besonderer Langlebigkeit, haben als gemeinsames Kennzeichnen, dass die Menschen dort als Hauptproteinquelle Hülsenfrüchte verzehren und einer pflanzenbetonten Ernährung mit wenig tierischen Lebensmitteln folgen. Ein Beispiel hierfür ist die japanische Insel Okinawa. Dort gab es lange Zeit weltweit prozentual die meisten über hundertjährigen Menschen. Die Bewohner folgten traditionell einer relativ proteinarmen und mineralstoffreichen Ernährungsweise.

Ein weiteres Beispiel für gesunde Langlebigkeit sind die kalifornischen Adventisten. Vegetarische Adventisten leben im Schnitt 9,5 Jahre länger als die kalifornische Durchschnittsbevölkerung (Fraser und Shavlik, 2001). Dabei verzehren sie mit durchschnittlich 4,8 Gramm Milchprotein (etwa 150 ml Milch) pro Tag nur sehr wenig Milchprodukte, aber 8 Gramm Sojaprotein am Tag (Rizzo et al., 2013). Ihre Hauptproteinquelle sind demnach pflanzliche Lebensmittel.

Weniger ist oft mehr

Pflanzliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse und Samen sind aufgrund ihrer Aminosäure-Zusammensetzung deutlich gesünder als Fleisch- und Milchprodukte. So liefern sie besonders viel Arginin, das für den Proteinstoffwechsel, einen normalen Blutdruck und gesunde Gefäße wichtig ist. Gleichzeitig enthalten sie gesunde Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe, ungesättigte Fettsäuren und sekundäre Pflanzenstoffe. Hülsenfrüchte müssen gut durchgegart werden, um die enthaltenen antinutritiven Substanzen abzubauen. Kohlenhydrate wie Pasta dagegen sollten "al dente" und nicht "weich" gekocht werden, damit sie den Blutzucker- und Insulinspiegel nur dezent erhöhen.

Der Mensch wurde Jahrtausende nicht von Überfluss, sondern von Mangel bedroht. Doch heute hat unser Körper vielmehr ein Entsorgungs- als ein Versorgungsproblem. Unbewusst fällt es uns schwer nachzuvollziehen, dass wir selbst eine Epidemie neuer Zivilisationserkrankungen geschaffen haben, die nicht durch Mangel, sondern durch Überfluss bedingt ist. Nachhaltige Gesundheit benötigt das rechte Maß in der Ernährung. Gesunderhaltung und Gesundung - natürliche Funktionen unseres genialen Organismus - geschehen häufig nicht durch das Hinzufügen von "mehr", sondern durch das Weglassen von "zu viel".

Eine ausreichende Proteinaufnahme ist für die Gesundheit essentiell, doch das Vermeiden einer übermäßigen Zufuhr ist ebenso wichtig. Eine vermehrte Proteinaufnahme bei bereits ausreichender Versorgung hat keinen zusätzlichen Nutzen. Neuen Forschungsergebnissen zufolge bringen vor allem tierische Proteinquellen zahlreiche Nachteile mit sich; natürliche, sinnvoll dosierte und kombinierte pflanzliche Proteinquellen fördern dagegen die Gesundheit über vielfältige positive, synergistische Inhaltsstoffe.

Wollen Sie mehr erfahren?

Lesen Sie hier den kompletten Artikel im pdf-Anhang zum aktuellen Thema: "Von Eiweißmangel bis Eiweißmast: Wie viel Protein ist sinnvoll und welches?" Erfahren Sie mehr über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die gesundheitsschädlichen Auswirkungen einer zu hohen Proteinzufuhr, wie man Proteinmangel einfach vermeidet, welche Vorteile sinnvoll kombinierte pflanzliche Proteinquellen bieten und warum Katzen viel Schlaf brauchen und Pferde lange galoppieren können.

Mehr Informationen zu den Themen Kalium, Säure-Basen-Haushalt, Stoffwechsel, IGF-1 und Insulin auf der Basis von über 1400 zitierten Studien sowie die ausführliche Erläuterung der Zusammenhänge finden Sie in der neuen, vollständig überarbeiteten 2. Auflage des Buches "Dr. Jacobs Weg des genussvollen Verzichts - Die effektivsten Maßnahmen zur Prävention und Therapie von Zivilisationskrankheiten" von Dr. med. Ludwig Manfred Jacob, das im Buchhandel erhältlich ist (ISBN 978-3981612233). Mit Geleitworten von Prof. Dr. Claus Leitzmann und Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard.

Der Ernährungsplan nach Dr. Jacob vereint die klinisch und epidemiologisch erfolgreichsten Ernährungskonzepte der Welt unter Berücksichtigung der Insulin-, pH- und Redox-Balance: pflanzenbasiert und vitalstoffreich, fett- und salzreduziert. Das Fachbuch beruht mit über insgesamt 1400 zitierten Studien auf einer breiten wissenschaftlichen Basis sowie auf persönlichen Anwendungs- und Erfahrungswerten. Ziel des Buches ist es, Klarheit in die vielen Widersprüche der oft gegensätzlichen ernährungstherapeutischen Ansätze zu bringen, indem nicht nur hunderte von epidemiologischen und klinischen Studien angeführt, sondern auch die physiologischen Hintergründe und Zusammenhänge wissenschaftlich erklärt werden. Aus den häufig eindimensionalen Studien und Ansätzen ergibt sich so ein mehrdimensionales Gesamtbild. http://www.drjacobsweg.eu

Über das Dr. Jacobs Institut für komplementärmedizinische Forschung
Das Dr. Jacobs Institut für komplementärmedizinische Forschung (http://www.drjacobsinstitut.de ) hat sich zum Ziel gesetzt, ganzheitliche Zusammenhänge in der Ernährungs- und Naturheilkunde wissenschaftlich aufzuklären. Zu den aktuellen Forschungsgebieten gehören die Pathogenese von Zivilisationserkrankungen, das metabolische Syndrom, Ernährungsfaktoren bei Prostatakrebs, Granatapfel-Polyphenole, Mineralstoff-, Säure-Basen- und Energie-Haushalt im Zusammenhang mit Leberstoffwechsel und Darmmikrobiom sowie Omega-3-Fettsäuren.

Pressekontakt:
Dr. rer. nat. Susanne Cichon (Ernährungswissenschaftlerin)
E-Mail: drcichon@drjacobsinstitut.de
Egstedterstraße 46, 55262 Heidesheim am Rhein

Literatur:
- Buettner D (2009): The Blue Zones: Lessons for Living Longer From the People who've Lived the Longest. National Geographic Society, Washington
- Fraser GE, Shavlik DJ (2001): Ten years of life: Is it a matter of choice? Arch Intern Med; 161(13): 1645-1652.
Levine ME, Suarez JA, Brandhorst S, Balasubramanian P, Cheng CW, Madia F, Fontana L, Mirisola MG, Guevara-Aguirre J, Wan J, Passarino G,
Kennedy BK, Wei M, Cohen P, Crimmins EM, Longo VD (2014): Low protein intake is associated with a major reduction in IGF-1, cancer, and overall mortality in the 65 and younger but not older population. Cell Metab; 19(3): 407-417.
- MRI (Max Rubner-Institut), Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008):Nationale Verzehrsstudie II. Ergebnisbericht Teil 2. Die bundesweite Befragung zur Ernährung von Jugendlichen und Erwachsenen. URL: http://www.mri.bund.de/fileadmin/Institute/EV/NVSII_Abschlussbericht_Teil_2.pdf
- Rizzo NS, Jaceldo-Siegl K, Sabate J, Fraser GE (2013): Nutrient Profiles of Vegetarian and Nonvegetarian Dietary Patterns. J Acad Nutr Diet. pii: S2212-2672(13)01113-1.
- Sluijs I, Beulens JW, van der A DL, Spijkerman AM, Grobbee DE, van der Schouw YT (2010): Dietary intake of total, animal, and vegetable protein and risk of type 2 diabetes in the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-NL study. Diabetes Care; 33(1): 43-48.

(Ende)
Aussender: Dr. Jacobs Institut
Ansprechpartner: Dr. Susanne Cichon
E-Mail: drcichon@drjacobsinstitut.de
Website: www.drjacobsinstitut.de
|