pte20121126015 Forschung/Entwicklung, Technologie/Digitalisierung

Analoger Chip "Spikey" simuliert Gehirn

Schaltungen innerhalb der Kapazitätsgrenzen frei konfigurierbar


Gehirn: wird mit Chip simuliert (Foto: pixelio.de, Rike)
Gehirn: wird mit Chip simuliert (Foto: pixelio.de, Rike)

Heidelberg (pte015/26.11.2012/11:30) "Spikey" ist ein Computerchip, dessen Aufbau an den eines Gehirns angelehnt ist. Entwickelt wurde er von Forschern der Universität Heidelberg http://kip.uni-heidelberg.de . Er besteht aus 400 analogen Schaltungen, die jeweils ein Neuron simulieren. Durch den Einsatz von Kondensatoren und analogen Komponenten verhält sich jeder Schaltkreis ähnlich wie die biologischen Vorbilder. Erst wenn die anliegende Spannung einen gewissen Schwellenwert übersteigt, wird ein Signal weitergegeben. Durch variable Widerstände kann auch die sich durch die Nutzungsfrequenz ändernde Stärke von Signalwegen in einem Gehirn kopiert werden. Spikey ist innerhalb seiner Kapazitätsgrenzen frei konfigurierbar.

Flexible Schaltungen

"Spikey ist ein physikalisches Modell und kein Computerchip im Sinne eines Prozessors. Jede Schaltung, die für eine Synapse steht, kann sich potenziell mit jeder anderen auf dem Chip verbinden. Das ergibt 100.000 'Synapsen' oder mögliche Verbindungen, die frei konfigurierbar sind. Somit können erstmals beliebige Netzwerke auf einem Chip simuliert werden", erklärt Spikey-Co-Entwickler Karlheinz Meier von der Universität Heidelberg gegenüber pressetext.

Die Wissenschaftler haben mit dem Gehirn-Chip bislang sechs verschiedene neuronale Netzwerke nachgebildet. Darunter ist auch eine Schaltung, die das Geruchszentrum in Insektenhirnen simuliert. Untersuchungen haben ergeben, dass sich die mit Spikey modellierten Netzwerke fast genauso verhalten wie ihre natürlichen. "Sowohl das Verhalten des Systems als Ganzes als auch jenes der einzelnen Schaltungen stimmt sehr gut mit den Vorbildern überein", sagt Meier.

Netzwerk-Simulator

Spikey dient vor allem der Simulation von neuronalen Netzwerken, die Vorbilder in der Biologie haben. Aber auch theoretische Modelle können überprüft werden. Gegenüber Simulationen mit herkömmlichen Computern hat der neuromorphe Chip dabei einige Vorteile. Speicher und Rechenarbeit sind im analogen Design keine getrennten Aufgabengebiete. "Information wird im Anregungszustand des Systems gespeichert. Alle Komponenten des Chips spielen dabei eine Rolle. Davon versprechen wir uns auch Erkenntnisse über das Speichern von Erinnerungen im Gehirn, was immer noch nicht vollständig geklärt ist", erklärt Meier.

Durch dieses Design können Netzwerk-Simulationen weitaus energieeffizienter bewerkstelligt werden als mit herkömmlichen Computern. "Auch die Geschwindigkeit ist weitaus höher. Anders als bei Computern gibt es keine Taktfrequenz, aber die Geschwindigkeit skaliert mit der Größe der Komponenten. Durch die Miniaturisierung ist Spikey daher etwa 10.000 Mal schneller als ein biologisches System.

Die Simulation eines Tages dauert deshalb rund rund Sekunden. Mit heutigen Computern dauert das bedeutend länger", so Meier. Zudem ist Spikey sehr widerstandsfähig. Fallen einige Schaltungen aus, funktioniert der Chip trotzdem weiter, es verringert sich lediglich die Geschwindigkeit.

Großes Interesse

In einigen medizinischen Geräten kommen bereits neuromorphe Chip-Designs zum Einsatz, die aber lediglich eine spezielle Aufgabe erfüllen können. Große Firmen wie IBM experimentieren derzeit intensiv auf dem Gebiet. Für Forscher sind die analogen Prozessoren eine ideale Möglichkeit, ihre Theorien zur Funktionsweise von Gehirnen zu überprüfen. Allerdings reicht die Kapazität von Spikey lediglich für Simulationen von kleinen Teilbereichen von Gehirnen aus.

In Heidelberg arbeiten die Wissenschaftler aber bereits an einer verbesserten Variante. Im Rahmen des BrainScales-Projekts entsteht ein Chip, der 200.000 anstatt 400 Neuronen simulieren kann. Für das kommende Jahr ist ein Versuch geplant, bei dem ein Teil des Cortex eines Rattenhirns simuliert werden soll. Danach soll die Kapazität von Spikey auf einige Millionen Neuronen erhöht werden, bis ein komplettes Rattengehirn nachgebildet werden kann.

"In Zusammenarbeit mit Forschern aus Lausanne wollen wir im Human Brain Project ein menschliches Gehirn nachbilden. Das wird aber noch mehr als zehn Jahre dauern. Der Traum sind Systeme, die wie unser Gehirn sehr gut darin sind, kausale Zusammenhänge zu entdecken und Entscheidungen zu treffen", so Meier.

(Ende)
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