pte20120220021 Technologie/Digitalisierung, Politik/Recht

Neue Kommunikationswege verändern Verwaltung

Weg zur Liquid Democracy - Experimente von Deutschland bis nach Kenia


Parlament: Demokratie geht mit der Zeit (Foto: pixelio.de, rudolf ortner)
Parlament: Demokratie geht mit der Zeit (Foto: pixelio.de, rudolf ortner)

Wien (pte021/20.02.2012/13:52) Unser politisches System hat mit dem gesellschaftlichen Wandel dervergangenen Jahre und Jahrzehnte nicht mitgehalten. Unter dem Überbegriff "Liquid Democracy" versuchen einige Menschen ein zeitgemäßes politisches System zu entwickeln.

"Demokratie war immer ein Prozess, der sich an Menschen und verfügbare Technologie angepasst hat. Unsere Gesellschaft wird komplexer, deshalb brauchen wir ein System, das die Menschen mithilfe moderner Kommunikationstechnologie in ihren jeweiligen Lebenssituationen abholt und mehr Bürgerbeteiligung ermöglicht", sagt Daniel Reichert vom Verein Liquid Democracy http://liqd.net gegenüber pressetext. Das Konzept für diese gerechtere Demokratie sei momentan noch im Entstehen, könne aber innerhalb des bestehenden Systems umgesetzt werden, so der Experte.

Aktuelle Experimente

Derzeit testen die Verfechter von Liquid Democracy, was überhaupt möglich ist. "Unser Ansatz ist recht undogmatisch. Ich bin überrascht, was sich innerhalb der bestehenden Strukturen alles umsetzen lässt. Wir setzen unsere Ideen sofort in Software um, die beispielsweise von der SPD und vom Bundestag schon getestet wird", erklärt Reichert. Ohne die modernen Kommunikationskanäle wäre Liquid Democracy, die auf Transparenz, Bürgerbeteiligung und Echtzeitinteraktion setzt, nicht möglich. Auch außerhalb Europas gibt es erste Ansätze für eine neue Art der Verwaltung.

Häuptling Francis Kariuki, der Anführer eines Dorfes 250 Kilometer nördlich von Nairobi, Kenia, verwendet Twitter, um seine Gemeinde zu organisieren. So erspart er sich eine Menge Zeit und Ressourcen für die Erstellung von Plakaten und Briefen. Er unterrichtet sein Dorf von wichtigen Terminen und Anlässen und kann schnell auf neue Entwicklungen reagieren. Durch SMS-Services können auch Einwohner ohne Smartphones die Tweets empfangen.

Sogar die Kriminalitätsrate konnte Kariuki senken, indem er Menschen gegen Diebe solidarisierte. In einem Fall erfuhr der Häuptling von einem gerade laufenden Einbruch. Via Twitter mobilisierte er schnell die Dorfbewohner, die die Kriminellen kurzerhand vertrieben. "Kommunikation über das Netz ist noch keine Liquid Democracy. Wenn die Bürger es aber wollen, muss die Führung reagieren. Das Potenzial für Entwicklungsländer ist groß", so Reichert.

Fehlende Infrastruktur

Im Moment steht einer Verwirklichung des Konzepts in Entwicklungsländern aber noch einiges im Weg. "Die technische Infrastruktur ist nicht überall gegeben. Außerdem funktioniert Liquid Democracy nur im Zusammenspiel mit aufgeklärten Bürgern", sagt Reichert. Das Beispiel aus Kenia zeigt trotzdem, wie schon erste Schritte auf dem Weg zur flüssigen Demokratie das Leben der Menschen verbessern können. "Es ist immer einfacher, wenn die Entscheidungsträger mitziehen. Am Ende sollten die Grenzen zwischen Bottom-up und Top-down verschwimmen", so Reichert.

In westlichen Demokratien ist die Situation anders. "Das jetzige System hat den Zugang zur Gesellschaft verloren. Die Parteienverdrossenheit der Menschen nimmt zu. Die Politiker werden nicht anders können, als den Wechsel mitzutragen, da Liquid Democracy auch für sie Vorteile bringt, wie etwa Feedback auf ihre Vorschläge", so Reichert. Auch die Abhängigkeit der Politik von den Wählern beschleunigt den Prozess. "Selbst konservative Parteien sehen, dass die Menschen keine althergebrachten Anführer mehr wollen, weil sie selbst informiert sind. In Österreich und Deutschland gewinnt die Bewegung an Fahrt", so Reichert.

(Ende)
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