pte20111109004 Umwelt/Energie, Produkte/Innovationen

Nigeria: Flaschenhäuser als Chance für Umweltschutz

Experte erläutert Probleme mit Plastikmüll und Wohnungsnot


Haus: 14.000 Plastikflaschen für 58 Quadratmeter Wohnfläche (Foto: DARE)
Haus: 14.000 Plastikflaschen für 58 Quadratmeter Wohnfläche (Foto: DARE)

Sabon Yelwa/Bonn (pte004/09.11.2011/06:15) Ein Projekt der NGO Development for Renewable Energies (DARE) hat in Nigeria ein Projekt initiiert, in dessen Rahmen aus Plastikflaschen Häuser errichtet werden. Man will damit einen Beitrag gegen die Umweltverschmutzung durch PVC-Müll leisten und auch einen Ausweg aus der gravierenden Wohnungsnot zeigen. Thomas Mösch, Leiter der Afrika-Programme der Deutschen Welle http://dw-world.de , spricht im Interview mit pressetext über die Situation in dem westafrikanischen Staat.

14.000 Flaschen für ein Haus

Fehlende Unterkünfte und Umweltverschmutzung werden in Nigeria zunehmend ein Problem. Laut DARE fehlen im Land rund 16 Millionen Unterkunftseinheiten und tagtäglich fallen drei Mio. Plastikflaschen als Müll an. Nun läuft im Dorf Sabon Yelwa ein Pilotprojekt, in dem ein Bungalow errichtet wird. Die leeren Flüssigkeitsbehälter spielen als Baumaterial eine wichtige Rolle.

Gefüllt mit Sand und eingefasst in Zement und Erde soll die fertige Konstruktion feuerfest, kugelsicher und erdbebenresistent sein. Im Inneren des "Plastikhauses" soll die gute Isolierung eine Raumtemperatur von 18 Grad Celsius gewährleisten. Die Vorzeigekonstruktion, die schon großteils fertiggestellt ist und 58 Quadratmeter Wohnfläche aufweist, wird am Ende rund 14.000 Flaschen verbraucht haben. DARE will in Zukunft Maurer ausbilden, um das Vorhaben in die Breite zu tragen. Als zweiter Musterbau soll eine Schule entstehen.

Plastiktüten im Wind

Mösch bestätigt die Schilderungen von DARE. "Insbesondere im urbanen Bereich, von den Zentren bis hin zu kleinen Städten, ist die Wohnungsknappheit ein Riesenproblem", erläutert der Experte im Gespräch mit pressetext. "Viele Menschen leben dicht gedrängt in Wohnraum, der im Verhältnis zum Lebensstandard sehr teuer ist."

Auch die Umweltverschmutzung durch Plastik gibt Grund zur Sorge, da in Nigeria kein geregelter Recyclingkreislauf existiert. "Die Sachen werden weggeworfen, manche Leute versuchen etwas wiederzuverwerten. Doch am Ende landet alles auf Müllkippen in der freien Landschaft und wird verbrannt", erzählt Mösch. Sehr oft zieren Plastiktüten die Landschaft, die zur Verpackung vieler Waren verwendet und sehr leicht vom Wind davongetragen werden. "Dazu wird immer mehr - auch das Trinkwasser - in Plastikflaschen abgefüllt", so der Afrika-Fachmann.

Politische Hilfe nicht zu erwarten

Insbesondere hier sieht Mösch Potenzial für das DARE-Projekt, da die plastikgestützten Unterkünfte stabiler sind als die meist aus Lehmziegeln errichteten Häuser traditioneller Bauart. Durch den Bedarf an Flaschen entsteht zudem ein Verwertungskreislauf. Und auch der Preis ist ein Argument. Mit Kosten von circa zwei Mio. Naira (entspricht etwa 9.200 Euro) erweist sich das Haus in Sabon Yelwa nach Aussagen der Organisation als deutlich günstiger als seine Alternativen.

Sollte das Hausprojekt breit vorangetrieben und vermarktet werden, so kann sich Mösch vorstellen, dass es auch den Mangel an Unterkünften lindern könnte. Von der Regierung in Abuja ist dabei jedoch keine Hilfe zu erwarten. "Der Staat Nigeria kümmert sich kaum um solche Fragen. Hilfe von der Politik ist bestenfalls auf lokaler Ebene möglich. Und auch nur dann, wenn es gelingt, den Governeur des jeweiligen Bundesstaates von der Sache zu überzeugen."

Geteiltes Land

Nigeria liegt an der Westküste des afrikanischen Kontinents und zählt 152 Mio. Einwohner. Präsident und Staatsoberhaupt des Landes ist seit Februar 2010 Goodluck Jonathan. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Konflikten in der Bevölkerung, die teilweise religiös motiviert sind. Der Norden Nigerias ist muslimisch geprägt, das Nigerdelta wird mehrheitlich von Christen bewohnt. Im Human Development Index der UNO belegt der Staat den 158. Rang, 2009 lag das nominale BIP pro Kopf bei 1.142 Dollar (rund 831 Euro).

(Ende)
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