pte20111031003 Forschung/Entwicklung, Politik/Recht

Sieben Milliarden: Menschheit wächst und schrumpft zugleich

Neue Weltkarten zeigen Rückgang selbst in vielen Regionen Chinas


Sheffield (pte003/31.10.2011/06:10) Am heutigen Montag erreicht die Einwohnerzahl unseres Planeten laut UNO erstmals die Sieben-Milliarden-Grenze. Pünktlich zum Ereignis sind Bevölkerungsentwicklung und Ressourcenknappheit wieder in aller Munde. Vor allzu vereinfachenden Darstellungen warnt aber Benjamin Hennig, Mitarbeiter im Worldmapper-Projekt http://www.worldmapper.org an der Universität Sheffield, gegenüber pressetext. Mit neuen Weltkarten, die die Veränderung der Bevölkerung zwischen 1990 und 2015 abbilden, zeigt der Geograph, dass es global sowohl Wachstums- als auch Schrumpftendenzen gibt.

Extremer Rückgang in China

Selbst in den "Boomländern" lässt der genaue Blick in die Regionen Entwicklungen erkennen, die sich teils extrem von der öffentlichen Wahrnehmung unterscheiden. Allem voran gilt das für China, dessen Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten rasant angestiegen ist. Zwar geht das Wachstum an den Küsten wie etwa am Perlflussdelta unvermindert weiter, doch im Hinterland ist der Trend genau entgegengesetzt. "Die Landbevölkerung Chinas schwindet enorm, und zwar viel stärker als in Westeuropa. Das gilt sogar für das Hinterland der dicht besiedelten Provinzen im Osten", so Hennig.

In der Karten der Zu- und Abnahme der Bevölkerung zeigt sich auch Europa als Fleckenteppich, wenngleich in deutlich kleinerem Maßstab. "Die Zahl der Deutschen geht tendenziell zurück - besonders im Osten, während die Bewohner in den Industriegebieten der Rhein-Ruhrzone zunehmen. Auch in England ist die starke Landflucht in Richtung der Metropolregion im Süden zu bemerken", so der Geograph. Dafür verantwortlich sind nicht nur fehlende Geburten, sondern auch Abwanderungstendenzen, die etwa in einigen Regionen Osteuropas sinkende Einwohnerzahlen zur Folge haben.

Indien und Afrika auf der Überholspur

Im auffälligen Kontrast zu China zeigt sich das Nachbarland Indien mit einem großflächigen, einheitlichen Positivtrend auch in ruralen Regionen. Ähnlich auch die Entwicklung im nahen und mittleren Osten sowie in Südostasien, wo die UNO die Geburt des siebtmilliardsten Menschen - eines Mädchens - feiert. Die achte Milliarde, schätzt Hennig, wird wohl nach Afrika verlegt, worauf die Kartendarstellung schließen lässt: In den verschiedenen Projektionen der Bevölkerungsentwicklung der kommenden Jahrzehnte schlägt eindeutig die demografische Stunde von Europas südlichem Nachbarn.

Sieht man diese Zukunftsprojektionen der UNO bis 2100 an, wird die enorme Unsicherheit der Demografen offenbar: Manche Szenarien rechnen mit einem langfristigen Absinken der Bevölkerungszahl unter heutigen Stand, business-as-usual-Modelle spekulieren mit einem Anstieg auf sogar 25 Mrd., während eine als "realistisch" eingestufte Perspektive vom Einpendeln auf acht bis zehn Mrd. Menschen ausgeht. Das Ausmaß des Ressourcenproblems dürfte jedoch nur marginal von der Bewohnerzahl abhängen: Der ökologische Fußabdruck der Industrieländer ist ein Vielfaches größer als jener etwa Indiens oder auch Chinas.

Paradoxe Ängste

Die reichen Staaten haben Ängste, die konträr zueinander stehen, resümiert Hennig. "Die Angst davor, dass ihre Renten nicht mehr gesichert sind, und Ängste vor einer Überbevölkerung der Erde sowie vor jungen Einwanderern aus armen Erdteilen wie etwa Afrika. Alle diese Trends sind miteinander verknüpft, werden jedoch stets getrennt diskutiert." Der Dynamik der Bevölkerung werde man eher durch Lösungen gerecht, die ohne die starren Grenzziehungen und ohne kaum angebrachtes, verallgemeinerndes Denken auskommen. Anstöße für neue Perspektiven geben die worldmapper-Weltkarten.

(Ende)
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