pte20110421024 Politik/Recht, Medizin/Wellness

Islamfeindlichkeit oft Folge von Angst

Psychotherapeut: "Muslime sind Sündenböcke der Gesellschaft"


Islamische Mode: Angst ist schlechter Ratgeber, sagen Experten (Foto: pixelio.de/ChristophS)
Islamische Mode: Angst ist schlechter Ratgeber, sagen Experten (Foto: pixelio.de/ChristophS)

Wien (pte024/21.04.2011/13:59) Muslime sind in unserer Gesellschaft in besonderem Maße mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert. Außer aus Hass entspringen viele dieser Aggressionen aus Angst, die auch krankhafte Züge annehmen kann, behaupten Experten im Vorfeld der ersten wissenschaftlichen Tagung im deutschsprachigen Raum zum Thema Islamophobie http://www.rpp2011.org . "Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Uns interessiert, was in Menschen vorgeht, die sich von Angst gegenüber dem Islam leiten lassen. Dabei wehren wir uns vor politischem Missbrauch", so Tagungsleiter Raphael Bonelli im pressetext-Interview.

Krankhafte Angst

Was bei anderen Phobien gilt, beobachtet der Wiener Psychiater und Psychotherapeut auch in der Haltung vieler gegenüber dem Islam. "Das Fremde erzeugt ein Unbehagen, das die meisten von sich wegschieben. Sie versuchen, nicht hinzusehen, reagieren aber mit starker Ablehnung bis hin zur Aggression, sobald sie mit ihrem Angstauslöser direkt konfrontiert und sich in die Enge getrieben fühlen - mit Flucht oder Kampf." Typische Ängste seien jene vor dem Verlust des Lebensraumes, vor dem Beraubtwerden, der Veränderung oder auch, sich selbst in Frage stellen zu müssen.

In Folge entstehen laut Bonelli "seltsame Koalitionen", die sich trotz starker Gegensätze untereinander auf ein Feindbild einigen. "Islamophobe Menschen halten sich und ihren Lebensentwurf für besser und brauchen für ihren narzisstischen Selbstbetrug einen Sündenbock, von dem sie sich abgrenzen können." Die Rolle, die in früheren Zeiten die Juden innehatten, schiebe man heute den Muslime zu. "Das funktioniert, da man Muslime meist leicht erkennt und folglich auch gut abgrenzen kann. Zudem zeigen sie Zusammengehörigkeit untereinander", so der Experte.

Vernunft ins Spiel bringen

Überwunden wird die Angst am ehesten dann, wenn man sie als solche eingesteht und selbstreflexiv ausspricht. "Wer von unbewusster Angst getrieben wird, wehrt sich, ohne im Recht zu sein. Geht er dem Unbehagen jedoch nach um zu sehen, was er genau für bedrohlich hält, kann er die eigene Vernunft einschalten, das bloße Halbwissen überwinden und analysieren, ob tatsächlich Bedrohung im Spiel ist. Krankhafte Angst führt zu einer verzerrten Wahrnehmung eines angeblichen Bedrohungsszenariums", so Bonelli.

Im konkreten Beispiel könne man auf diese Weise erkennen, dass viele Angstbilder - etwa der fundamentalistische Missbrauch der Religion durch Fanatismus oder Terrorismus - zu Unrecht mit "Islam" gleichgesetzt werden. "Nüchtern überlegt, wird bei uns in Zukunft weder die Scharia eingeführt, noch sind unsere Kinder die Selbstmord-Attentäter von morgen."

Sehnsucht nach Prinzipien

Gegenüber anderen Ängsten empfiehlt Bonelli eine kritische Selbstreflexion. "Viele fürchten sich, da Muslime ihre religiöse Überzeugung vertreten, fünfmal täglich beten und die Familie hochhalten. Sie treten als Menschen mit Werten und Prinzipien auf, die nicht vom Relativismus geprägt sind und nach denen sich viele unbewusst sehnen." Für moderne Menschen wirke das bedrohlich, besonders wenn sie sich dabei ohne eigene Werte und mit schwachem Fundament erleben.

Hinweise dafür glaubt Bonelli darin zu erkennen, dass islamfeindliche Aggressionen am ehesten bei politisch Rechten anzutreffen sind, die selbst wenig religiös bis atheistisch sind. "Die Betreffenden geben sich in diesem Zusammenhang gerne als religiös und berufen sich auf das christliche Abendland. Tiefgläubige Christen sind in der Regel jedoch aus religiöser Überzeugung tolerant gegenüber dem Islam, wie es etwa das Bemühen der letzten beiden Päpste deutlich zeigt."

(Ende)
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