pte20100930022 Medizin/Wellness, Kultur/Lifestyle

Wie man Alzheimer erkennt

Nahestehende sehen die Krankheit früher als Ärzte


Angehörige: Erkennen den Beginn einer Demenz am zuverlässigsten (Foto: aboutpixel.de/Dreßler)
Angehörige: Erkennen den Beginn einer Demenz am zuverlässigsten (Foto: aboutpixel.de/Dreßler)

Yverdon-les-Bains/Basel (pte022/30.09.2010/12:10) Angehörige und Freunde bemerken erste Demenzanzeichen viel früher als der Arzt. Das berichten Mediziner der Washington University http://medschool.wustl.edu in der Zeitschrift "Brain". "Nichts ist für Menschen mit Demenz so schlimm wie nicht um ihre Krankheit zu wissen. Wenngleich die Diagnose selbst erst der Arzt stellt, können Angehörige Verdachtssymptome schon durch wenige Schlüsselfragen erkennen", erklärt Birgitta Martensson von der Schweizerischen Alzheimervereinigung http://www.alz.ch im pressetext-Interview.

Fragen enttarnen Symptome

Acht Fragen stellten die US-Forscher den Nahestehenden von Patienten über diese. Dabei ging es um Veränderungen bei Finanzentscheidungen, um nachlassendes Interesse an Hobbys, um ständig wiederholte Fragen oder Aussagen, um Probleme in der Bedienung von Geräten und um das Vergessen des laufenden Monats oder Jahres. Auch nach dem Verlust des Überblicks über die eigenen Ausgaben wurde gefragt, nach dem plötzlichen Vergessen von Vereinbarungen und Terminen sowie nach dem Neuauftreten ständiger Erinnerungslücken.

Demenzverdacht gibt es bei den Patienten, deren Angehörige zwei oder mehr Fragen mit "Ja" beantworteten. "In wenigen Minuten kann man so kostengünstig erheben, wer weitere Untersuchungen zur Abklärung braucht", so Studienleiter James Galvin. Die Methode ist zudem äußerst verlässlich. In einem Versuch mit 250 Personen war die Fragemethode weit treffsicherer als ein Demenz-Screening beim Arzt, bei dem sich Patienten etwa Wörter oder Objekte merken sollen. Das zeigte eine Biomarker-Untersuchung im Anschluss an die Tests.

Nahestehende wissen mehr als Betroffene

Alzheimer-Screening durch Befragung der Angehörigen wird auch in Europa immer wichtiger. Forscher um Michael Ehrensperger und Andreas Monsch von der Memory Clinic, Akutgeriatrie des Universitätsspitals Basel http://www.memoryclinic.ch stellen heuer in der Zeitschrift "International Psychogeriatrics" eine Methode vor, die auf der Beurteilung von sieben Feststellungen durch Angehörige basiert. Dazu gehören die Erinnerung an Dinge wie Geburtstage oder Adressen der Familie und Freunde, an jüngst vergangene Ereignisse und Gespräche oder an den Ort, an den man Dinge abgelegt hat, sowie das Neulernen von Dingen im Allgemeinen. "Es geht hier um ein Screening, nicht um die Diagnose selbst", stellt Monsch gegenüber pressetext klar.

Fremdanamnese hat hohen Wert für den Demenz-Erstverdacht, betont Martensson. "Menschen mit Demenz verhalten sich mit fremden Personen - etwa mit dem Arzt - oft anders als im Alltag. Angehörige und nahe Freunde durchschauen viel eher, wenn Betroffene ihre auftretenden Probleme ignorieren oder verheimlichen." Dass Patienten ihre Symptome verbergen, ist verständlich. "Das gleiche machen manche Menschen, die mit dem Alter Sehprobleme bekommen: Sie suchen Entschuldigungen und Erklärungen statt einen Optiker aufzusuchen," so die Sprecherin der Alzheimervereinigung.

Je früher, desto besser

Obwohl es für Demenz noch keine Heilung gibt, hat ihre möglichst frühe Diagnose große Bedeutung. Martensson berichtet, dass Demenzpatienten im Rückblick die Phase vor der Diagnose als ihre schlimmste Zeit bezeichnen. "Erst wer über seine Diagnose Bescheid weiß, kann Information und Hilfe holen und etwa medikamentöse oder nicht-medikamentöse Therapien in Anspruch nehmen, die den Verlauf verzögern", so Martensson. Ausschließen könne man durch die Abklärung zudem Krankheiten mit ähnlichen Symptomen, wie etwa Altersdepression oder Hirntumor.

Was viele Menschen vor einer Demenz-Diagnose zurückschrecken lässt, sind die vielen Missverständnisse rund um die Krankheit. "In den Köpfen schwirren die Symptome im Spätstadium, etwa dass Bekannte zu Unbekannten werden oder Verhaltensstörungen massiv werden. Zwischen Ausbruch und Endstadium liegen jedoch meist viele Jahre, in denen Patienten noch entscheidungs- und handlungsfähig sind, ohne fremde Hilfe leben und oft sogar neue Aktivitäten aufnehmen. Zudem erleben viele das Endstadium der Demenzkrankheit gar nicht, weil sie vorher an einer anderen Alterskrankheit sterben", betont Martensson.

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Aussender: pressetext.schweiz
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