pte20090922002 Medizin/Wellness, Forschung/Entwicklung

Forscher bringen gelähmte Ratten zum Gehen

Aktivierte Rückenmark-Schaltkreise überwinden Querschnittsverletzung


Versuche mit Ratten geben auch der Rehabilitation von Menschen Hoffnung (Foto: pixelio.de/Sylvia)
Versuche mit Ratten geben auch der Rehabilitation von Menschen Hoffnung (Foto: pixelio.de/Sylvia)

Zürich (pte002/22.09.2009/06:15) Im Laborversuch ist es erstmals gelungen, komplett querschnittsgelähmten Ratten wieder Gehen, Laufen sowie das Tragen des gesamten Eigengewichts zu ermöglichen. Forscher der Universität Zürich und der University of California in Los Angeles berichten in der Online-Ausgabe der Zeitschrift "Nature Neuroscience", dass ein Bündel von Medikamenten, Stimulationen und Trainingsmaßnahmen zum Erfolg führte.

Ziel der Maßnahmen der Forscher waren Schaltkreise des Rückenmarks, deren rhythmische Aktivität ohne Input des Gehirns geschehen kann. "Diese Schaltkreise aktivieren und treiben die Muskeln der Hinterbeine auf eine Art an, die dem normalen Gang sehr ähnelt", erklärt Studienleiter Grégoire Courtine, Neurowissenschaftler der Medizinischen Fakultät an der Universität Zürich http://www.med.uzh.ch . Während man bereits in früheren Experimenten ähnliche Bewegungen der Hinterbeine von Ratten mit durchtrenntem Rückenmark und ohne willentliche Hinterbein-Bewegungen erreicht hatte, gelang es den Forschern nun, ihnen zu anhaltenden Bewegungen und zum vollen Tragen des Körpergewichts zu verhelfen.

Dazu verabreichten die Wissenschaftler den gelähmten Versuchstieren einerseits Medikamente, die auf die Rezeptoren des Neurotransmitters Serotonin wirken. Andererseits erhielten sie direkt auf das Rückenmark unterhalb der Verletzung elektrische Stimulation in niedrigen Frequenzen. Die Rückenmarks-Schaltkreise der Ratten, die sich gleichzeitig auf einem bewegenden Laufband befanden, wurden durch diese Kombination von Stimulation und Sinneswahrnehmung angeregt. Das Resultat waren Gehbewegungen in den gelähmten Hinterbeinen, die durch tägliches Laufbandtraining während mehrerer Wochen auf Renngeschwindigkeit sowie auf Vor-, Rück- und Seitwärtsbewegungen ausgedehnt werden konnten. Es gelang den Tieren mit der Zeit auch, ihr volles Körpergewicht zu tragen. Die Verbindung zwischen Gehirn und Rückenmark-Schaltkreisen für das Gehen waren weiter unterbrochen, weshalb kein selbstständiges, willentlich gesteuertes Gehen erreicht werden konnte. Allerdings zeigen die Ergebnisse, dass es für die Fußbewegung alleine keine Regeneration von verletzten Nervenfasern braucht.

Anwendung könnte dieses Wissen eines Tages in der Rehabilitation von Patienten mit Rückenmarks-Verletzungen finden, indem durch neuro-prothetische Hilfsmittel, die Elektrostimulationen und Medikamente verabreichen, gewisse verloren gegangene Körperfunktionen überbrückt werden. Courtine bremst gegenüber pressetext jedoch die Hoffnungen, dass dies bereits in naher Zukunft umgesetzt werden könne. "Bevor solche Maßnahmen ohne Risiko an Menschen in klinischen Versuchen erprobt werden, müssen viele weitere Aspekte berücksichtigt werden." Man könne im Moment kaum abschätzen, wann die Wissenschaft an diesen Punkt gelangen werde. "Wir wissen um unsere Verantwortung und werden unser Bestes tun, um vorwärts zu kommen", so der Züricher Neurowissenschaftler.

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