pte20090910039 Kultur/Lifestyle, Politik/Recht

Selbstmord: Vermeidung braucht Öffentlichkeit

Tag der Suizidprävention nimmt Medien und Gesetzgeber in Pflicht


Der Gedanke an Selbstmord kann überwunden werden (Foto: pixelio.de/Oliver)
Der Gedanke an Selbstmord kann überwunden werden (Foto: pixelio.de/Oliver)

Genf/Hamburg (pte039/10.09.2009/15:30) Selbstmord kann durch geeignete Maßnahmen verhindert werden, wobei Gesetze, Medien und Beratung eine wichtige Rolle spielen. Das berichtet die Weltgesundheitsorganisation WHO am heutigen 10. September, an dem zugleich der internationaler Tag der Selbstmord-Prävention http://www.welttag-suizidpraevention.de stattfindet. So wenig das Thema auch öffentlich präsent ist, hat es doch weltweit gewichtige Bedeutung. Rund eine Mio. Menschen nehmen sich jedes Jahr das Leben, was einen Selbstmord alle zwei Minuten bedeutet. "In Mitteleuropa ist die Suizidzahl höher als die Summe der Todesopfer, die auf Straßenverkehr, Aids, illegale Drogen oder Gewaltverbrechen zurückgehen. Allerdings wird das Thema noch immer weitgehend tabuisiert", berichtet Georg Fiedler von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprophylaxe http://www.suizidprophylaxe.de im pressetext-Interview.

Seien die Ursachen für Selbstmordversuche auch zahlreich, gebe es mehrere Formen der Prävention. Eine Möglichkeit dabei ist, die Form des Selbstmordes durch Gesetze zu reduzieren. "In der Schweiz oder in den USA wäre das etwa ein eingeschränkter Zugang zu Schusswaffen. In Deutschland und Österreich könnte man verschreibungspflichtige Medikamente in kleineren Packungsgrößen abgeben", so der Hamburger Psychologe. Verbote wie etwa jene von Schusswaffen oder Haushaltsgas haben in mehreren Ländern einen tatsächlichen Rückgang von Suizidfällen bewirkt. In Asien, wo 60 Prozent aller weltweiten Selbstmorde geschehen, ist hingegen das Schlucken der leicht zugänglichen Pestizide die häufigste Form des Suizid, besonders bei Frauen in ländlichen Gebieten. Auch hier könne die Einschränkung des Zugangs oder Verkaufs der Chemikalien deutliche Verbesserungen bringen. Negativ wirkt sich hingegen die Strafbarkeit des Selbstmordversuches aus, die in manchen Ländern wie etwa Libanon und Pakistan noch immer besteht. Hinterbliebene Angehörige werden dadurch stigmatisiert, Selbstmordgefährdete können keine Hilfe suchen und Präventionsprogramme werden vereitelt.

Als zweiten Schritt zur Prävention des Selbstmordes sieht Fiedler die Besserung des Umgangs der Medien mit dem Thema. "Zeitungen, Fernsehen und Internet leisten oft einen negativen Beitrag, indem sie in der Schilderung der Vorfälle konkrete Orte angeben, die zur Nachahmung einladen." Ungünstig ist auch die verkürzte Darstellung der Ereignisse, besonders wenn die Grundhaltung gegenüber dem Selbstmordopfer von unreflektierter Sympathie oder Verständnis geprägt ist. "Oft werden zum Beispiel Schulden und Selbstmord wie Ursache und logische Folge geschildert. Es bringt sich jedoch niemand um, nur weil er Schulden hat, sondern es ist immer eine tiefe Identitätskrise oder eine mögliche psychische Erkrankung im Spiel", so der Suizidexperte. Auch Darstellung des per Internet-Tagebuch angekündigten Selbstmord eines Schülers als "sauber durchgeführte" Aktion habe nichts mit der Realität zu tun. "Viele überleben solche Versuche schwer verletzt", gibt Fiedler zu bedenken.

Statt die Identifikation des Lesers mit dem Opfer herbeizuführen, sollten Medien lieber Möglichkeiten der Reflektion bieten. "Man spricht heute noch nicht gerne über Selbstmord. Allerdings sind die über 50 bundesweiten Veranstaltungen zum Thema am heutigen Tag ein Zeichen dafür, dass wir am Anfang eines Bewusstseinswandels stehen. Vor zehn Jahren wäre das nicht denkbar gewesen, da man zu viel Angst vor dem Thema hatte." Als Ziel für die Zukunft sieht der Suizid-Experte, dass die Selbstmordprävention in Nachrichtensendungen oder auf Titelblättern denselben Stellenwert bekommt wie dies der HIV/Aids-Problematik bereits gelungen ist. "Mehr Aufmerksamkeit und eine Enttabuisierung des Themas wären wünschenswert", so Fiedler.

Als wichtigen dritten Schritt, um Selbstmorde vorzubeugen, erwähnt Fiedler schließlich die Hilfestellungen für Suizidgefährdete. "Wichtig sind Bedingungen einer niederschwelligen Beratung, bei der Hilfesuchende keine Angst haben brauchen, etwa in der psychiatrischen Behandlung alle Autonomie zu verlieren. Das ist in der Regel nicht der Fall." Entsprechende Angebote wie Beratungsstellen und Ambulanzen gibt es bereits in vielen Großstädten. Angehörigen von Gefährdeten rät der Psychologe, sich Zeit zum Zuhören zu nehmen und Probleme nicht zu bagatellisieren. "Allein das Sprechen mit einer Vertrauensperson entlastet oft, und sie kann dabei behilflich sein, professionelle Hilfe aufzusuchen, die man in manchen Situationen braucht." Auch die WHO betont, dass es das Selbstmordrisiko wesentlich verringern kann, wenn Menschen in Gefahr genug Unterstützung ihres Umfeldes bekommen.

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