pte20090827001 Unternehmen/Wirtschaft, Handel/Dienstleistungen

Landkauf: Ausländische Geldgeber bluten Afrika aus

Knebelverträge fördern Abhängigkeit vom Weltmarkt - Importe nötig


Afrikanische Staaten scheitern oft bei der Durchsetzung von Interessen (Foto: aboutpixel.de, gelica)
Afrikanische Staaten scheitern oft bei der Durchsetzung von Interessen (Foto: aboutpixel.de, gelica)

Antananarivo/Köln (pte001/27.08.2009/06:00) Finanzkräftige Investoren aus dem Ausland verleiben sich mit zweifelhaften Pachtverträgen in immer größerem Ausmaß fruchtbare Böden vornehmlich in den Entwicklungsländern Afrikas ein. So haben neben großen Industrieunternehmen inzwischen auch Fonds, Banken und nicht zuletzt auch Regierungen den lukrativen Geschäftszweig für sich entdeckt. Vorsichtige Schätzungen der vergangenen Jahre lassen die Tragweite der zwielichtigen Landverkäufe deutlich werden. Allein für 2006 wird vermutet, dass 20 Mio. Hektar an ausländische Käufer gingen. Die UN-Welternährungsorganisation FAO http://www.fao.org spricht bereits von Neokolonialismus.

"Längst sind nicht nur Finanzinvestoren, sondern wie im Fall Madagaskar auch Regierungen in die Knebelverträge verstrickt", erläutert Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland http://www.fian.de im Gespräch mit pressetext. Obwohl die Deals in den meisten Fällen geheim gehalten werden und sich alle Beteiligten dazu verpflichten, kein Wort darüber zu verlieren, gibt der geschlossene Vertrag zwischen Madagaskar und der indischen Varun Agriculture Sarl Grund zur Beunruhigung. Einem Bericht der Frankfurter Rundschau nach sichert sich der Konzern mit dem bereits am 26. Januar mit 13 Landlords geschlossenen "Farming Contract" 231.000 Hektar für den Grundnahrungsmittelanbau - mit Exportklausel.

Die Konditionen verdeutlichen die Tragweite der umstrittenen Exportregelung. Demnach ist es Varun erlaubt, 100 Prozent der in Madagaskar angebauten Hülsenfrüchte auszuführen. Für Mais gilt eine Quote von 50 Prozent und für Weizen von 30 Prozent. Trotzdem hält man sich alle Türen offen. So heißt es, dass "andere Umstände" oder "bessere Verkaufsoptionen" auch höhere Ausfuhrmengen bedeuten. Diese Klausel macht es möglich, mehr Ernte von der Insel wegzuschaffen. Varun stellt Vorteile in den Mittelpunkt. So könne eine "gute Technologie" bereitgestellt und einheimische Arbeitskräfte "je nach ihren Fähigkeiten" bei der Einstellung bevorzugt werden. Für "soziale und kulturelle Infrastruktur" wollen die Inder vor Ort sorgen.

Ein weitaus skandalträchtigerer Vertrag ist der Deal mit dem südkoreanischen Mischkonzern Daewoo http://www.daewoo.com , über den Präsident Marc Ravalomanana im Februar 2009 gestürzt ist. Die Südkoreaner wollten sich mit 1,3 Mio. Hektar die Hälfte der fruchtbaren Inselfläche des Landes sichern. Auf diese Art wollte Daewoo Futtermais und Palmöl anbauen. Davon abgesehen muss das bitterarme Madagaskar Lebensmittelimporte teuer einführen und ist auch im Welthungerindex aufgeführt. "Daewoo ist noch immer interessiert. Mit einer Lokalgesellschaft will man informierten Kreisen zufolge nach wie vor 200.000 Hektar bewirtschaften", sagt Herre im pressetext-Gespräch. Daewoo hat zu diesem Zweck das Tochterunternehmen Madagascar Tsaku gegründet.

Das Thema bleibt brisant. Nicht nur, dass viele Verträge häufig eine Laufzeit von 50 Jahren mit einem einseitigen Kündigungsrecht aufweisen. Auch existiert zumeist die Option, den Kontrakt in beiderseitigem Einvernehmen auf 99 Jahre auszudehnen. "Diese Art der Landverpachtung bedeutet nicht nur ein ,Land Grabbing', sondern für viele Entwicklungsstaaten Afrikas auch ein ,Water Grabbing'", unterstreicht Herre. Die Zahlen geben dem Fachmann Recht. Derzeit können 43 der 53 afrikanischen Länder die eigene Bevölkerung nicht ernähren. Laut Herre nimmt die Abhängigkeit dieser Länder von den Weltmarktpreisen zu. Hunger weitet sich aus.

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