pts20090814005 Politik/Recht, Medien/Kommunikation

"Dringend empfohlen: Ein Betreuer zur Durchsetzung des Patientenwillens"

"vorjurlife"-Expertenforum mit Betreuungs-Experte Ralph Sattler


Ludwigshafen/Wiesbaden (pts005/14.08.2009/09:50) Am 1. September 2009 tritt das Gesetz zur Patientenverfügung in Kraft. Auf dem Bundeskongress "vorjurlife" am 27./28.11. in Darmstadt diskutieren führende Experten über die Auswirkungen, die dieses Gesetz zur Folge hat und erarbeiten Lösungen und Abläufe für alle am Prozess der Patientenverfügung (wie auch anderer Vorsorgeverfügungen) beteiligten Parteien. Zu diesen zählen u.a. Patienten/Angehörige/Betreuer, Ärzte/Kliniken, Juristen/Notare, Krankenkassen/Versicherungen, Altenpflegeheime/Hospizstiftungen, Politik und Interessensverbände, Kirchen. Im Vorfeld des Kongresses erhalten Experten das Wort, die sich seit Jahren mit diesem Thema beschäftigt haben und die sich jetzt aktiv mit Lösungsvorschlägen für eine praktikable Umsetzung des Patientenwillens engagieren. Das "vorjurlife"-Expertenforum wurde am 04.08.2009 durch ein Interview mit Univ.-Prof. Dr. Norbert W. Paul, M.A. von der Universität Mainz eröffnet. Er leitet das Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universitätsmedizin Mainz und bietet einen Fernstudiengang für den Masterstudiengang Medizinethik an, für den sich Interessenten noch bis zum 01.09.09 bewerben können. Das Interview in dieser Woche befasst sich im Schwerpunkt mit dem wichtigen Thema Betreuung und Beratung bei Patientenverfügungen. Zu Wort kommt der namhafte Betreuungs-Experte Ralph Sattler aus Ludwigshafen.

Mehr Infos zum Bundeskongress "vorjurlife" siehe http://www.vorjurlife.de

Herr Sattler, Sie leiten als Geschäftsführer seit mehreren Jahren den Betreuungsverein Ludwigshafen im Diakonischen Werk Pfalz. Was meinen Sie, wird sich beim Thema Beratung bei Patientenverfügungen jetzt nach erfolgter Gesetzgebung ändern, die am 1.9.09 in Kraft tritt?

Sattler: "Die Beratung als solche wird sich kaum verändern, denn deren Inhalte sind weitestgehend gleich geblieben - was natürlich auch daran liegt, dass das Gesetz die bereits bestehende Rechtslage nicht geändert, sondern in großen Teilen bestätigt hat. Was sich ändern könnte, ist die Häufigkeit der Inanspruchnahme von Beratungen, denn manch einer könnte sich aufgrund des (leider nicht richtigen!) Schlusses, nach dem Vorhandensein einer gesetzlichen Regelung sei eine Beratung hinfällig, davon abhalten lassen."

Welche Bedeutung haben Betreuungsvereine in Deutschland? Und wer finanziert diese?

Sattler: "Es gibt in Deutschland rund 800 anerkannte Betreuungsvereine. Deren Bedeutung besteht darin, die ehrenamtliche Betreuung zu stärken, indem sie, wie es das BGB fordert, sich um die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer bemühen, diese in ihre Aufgaben einführen, fortbilden und sie sowie Bevollmächtigte beraten. Weitere Aufgaben sind die planmäßige Information über Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen, zudem können im Einzelfall Personen bei der Errichtung einer Vorsorgevollmacht beraten werden. Die Finanzierung dieser Arbeit ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt, meist erhalten die Vereine jedoch eine Förderung durch Land und Kommune."

Warum kann die von Ihnen geleistete Betreuung nicht z.B. durch Kirchen, Ärzte, Rechtsberater erfolgen?

Sattler: "Die Tätigkeit als rechtlicher Betreuer ist grundsätzlich ein Ehrenamt und kann insofern von jedem geschäftsfähigen Menschen übernommen werden. Auch für professionelle Betreuer gibt es keine speziellen Voraussetzungen, deswegen werden Betreuungen nicht nur von Betreuungsvereinen, sondern auch von freiberuflichen Betreuern unterschiedlichster Profession geführt. Was die "Betreuung der (ehrenamtlichen) Betreuer" betrifft, ist es dagegen so, dass die Vereine die erste Adresse sind, denn dies ist ihr traditionelles Arbeitsfeld und ihr eigentlicher Existenzzweck. Die Vereine verfügen in diesem Bereich über langjährige Erfahrung und haben kompetente Mitarbeiter, die sich die entsprechende Zeit für diese Arbeit nehmen."

Wer kommt zu Ihnen und mit welchen Fragen/Themen?

Sattler: "Das ist sehr unterschiedlich. Natürlich kommen viele ehrenamtliche Betreuer zu uns, um sich zu Fragen im Zusammenhang mit der Führung einer Betreuung beraten zu lassen. Darüber hinaus wenden sich aber auch viele Menschen an uns, die sich über Vorsorgemöglichkeiten wie die Betreuungsverfügung, die Vorsorgevollmacht oder die Patientenverfügung informieren wollen. Dabei haben einige auch schon bestehende Vollmachten dabei, um diese - gerade in Folge der Diskussion um das Patientenverfügungsgesetz, die viele verunsichert hat - überprüfen zu lassen."

Welche religiösen und/oder ethischen Fragen und Probleme sind beim Thema Patientenverfügung die gravierendsten?

Sattler: "Ich weiß, dass ich nicht an Maschinen angeschlossen werden möchte - aber wenn ich es mir dann doch anders überlege und nichts mehr sagen kann?
Werde ich als Bevollmächtigter dazu in der Lage sein, den Willen auch wirklich umzusetzen, d.h., jemand sterben zu lassen? Ich will meinen Angehörigen nicht zumuten, sich mit mir herumplagen zu müssen, wenn ich siech bin - kann das ein ausreichender Grund sein, sich gegen lebenserhaltende Maßnahmen zu äußern?
Das ist ganz sicher nicht abschließend, zeigt aber einige der Probleme auf, mit denen Menschen sich beschäftigen müssen, wenn es um die Patientenverfügung geht."

Was sollte aus Ihrer Sicht in einer sinnvollen Patientenverfügung stehen? Und wie sollte/muss hier die Frage eines Betreuers geregelt sein?

Sattler: "Inhaltliche Festlegungen, die über reine Formulierungsvorschläge hinaus gehen, kann ich hier so wenig machen wie ich dies in einer Beratung tue - denn jede Patientenverfügung soll den Willen ausschließlich der Person, die die Verfügung erstellt, abbilden und ist somit eine höchst individuelle Sache. Entscheidend ist dabei aber, dass sich die verfassende Person absolut klar über ihren Willen ist und diesen so konkret und unmißverständlich wie irgend möglich ausdrückt.
Da eine Patientenverfügung im grundlegenden Sinn nicht mehr wie eine Willensäußerung im Bezug auf medizinische Maßnahmen ist, muss nicht zwingend eine Person benannt werden, die diesen Willen dann auch umsetzt. Dies ist jedoch dringend zu empfehlen. Falls jedoch kein Bevollmächtigter benannt wird und es dann zur Einrichtung einer Betreuung kommt, ist der Betreuer gesetzlich verpflichtet, die Patientenverfügung umzusetzen."

Sind Sie als erfahrener Betreuer mit der vorliegenden Gesetzgebung zufrieden? Was ist deren Vorteil, was deren Nachteil?

Sattler: "Es ist zu begrüßen, dass man sich überhaupt zu einer gesetzlichen Regelung entschließen konnte. Obwohl auch ohne Gesetz eine eigentlich relativ klare Rechtslage bestand, ist diese in der Praxis nicht unbedingt zu vermitteln gewesen. Den größten Vorteil des Gesetzes sehe ich deswegen auch darin, dass die dadurch häufig bestehende Unsicherheit bei vielen Beteiligten abnehmen wird, wenn das Gesetz in der Praxis tatsächlich angekommen ist. Die bereits oben erwähnte Annahme, durch die Existenz eines Gesetzes sei die notwendige Sorgfalt bei der Erstellung eine Patientenverfügung nicht mehr nötig, sehe ich als Nachteil, da dies die Einsicht in die Notwendigkeit einer Beratung herabsetzen könnte."

Wie verhalten sich Ärzte nach Ihren Erfahrungen und vorliegenden Informationen in Fällen, wo ein Sterbeprozess ggf. noch verlängert werden könnte, unter Umständen sogar eine Therapie noch erfolgreich sein könnte, dem aber ein schriftlicher Patientenwillen entgegensteht?

Sattler: "Das gestaltet sich offenbar sehr unterschiedlich. Mir wurde im Rahmen von Informationsveranstaltungen und Beratungsgesprächen aber immer wieder von Erfahrungen berichtet, bei denen Ärzte nach der Methode "wollen Sie daran schuld sein, wenn ihr Angehöriger stirbt?" Druck in Richtung Weiterbehandlung erzeugt haben. Ich habe selbst aber auch schon erlebt, dass Ärzte sehr froh darüber waren, aufgrund einer eindeutigen Willensbekundung handeln zu können, weil sie dann keine Angst haben mussten, für einen Fehler verantwortlich gemacht zu werden."

Welchen Beratungs- und Informations-Service können und sollten Krankenkassen beim Thema Patientenverfügung, Betreuungsverfügung etc. bieten und warum?

Sattler: "Die Krankenkassen sollten - was ja auch bereits geschieht - ihre Mitteilungskanäle wie die i.d.R. vorhandenen Mitgliederzeitschriften nutzen, um auf das Thema aufmerksam zu machen und dazu anzuregen, sich mit der Materie zu befassen. Sie sollten dabei auch auf bestehende Beratungsangebote hinweisen. Dabei wäre es allerdings wenig zielführend, einen der inzwischen mannigfach vorhandenen Ankreuzvordrucke zu publizieren, denn diese halten tendenziell von der notwendigen intensiven Beschäftigung mit der Thematik ab und führen gerade nicht dazu, dass am Ende eine individuelle, den Erfordernissen genügende Patientenverfügung vorliegt."

Ist Ihrer Meinung nach die Bevölkerung ausreichend über immaterielle Vorsorgeregelungen informiert und wenn nein, wie kann dieses Informationsdefizit abgebaut werden und durch wen?

Sattler: "Obwohl diese Themen inzwischen weit bekannter sind als dies vor einigen Jahren noch der Fall war kann man sicher noch nicht von ausreichender Information sprechen. Abhelfen wird sicherlich, dass, bedingt duch die Alterung der Gesellschaft, immer mehr Menschen persönlich damit in Kontakt kommen und diese Erfahrungen weitertragen. Davon abgesehen muss aber auch die Öffentlichkeitsarbeit weitergeführt und verstärkt werden. Besser ginge dies z.B. dadurch, dass man die Betreuungsvereine finanziell entsprechend ausstattet. Denn diesen hat der Gesetzgeber diese Aufgabe 2005 zwar zugewiesen, die Förderung der Vereine wurde dem jedoch nicht angepasst.

Ist es sinnvoll, dass die Bundesbürger eine Notfallkarte bei sich führen, auf der vermerkt ist, dass eine Patientenverfügung vorliegt und wo diese zu finden ist?

Sattler: "Sicher. Denn die beste Patientenverfügung nützt nichts, wenn keiner weiß, dass es sie gibt."

Sollte Notfallkarte und Organspender-Ausweis zu einem Dokument werden für alle Bundesbürger, die sowohl Organspender sind und die auch eine Patientenverfügung haben?

Sattler: "Solange dadurch nicht der Eindruck entsteht, wer eine Patientenverfügung mache, müsse sich auch mit der Organspende beschäftigen (und umgekehrt), wäre dies naheliegend, denn inhaltlich ist der Bezug natürlich schon deswegen gegeben, weil Aussagen zur Organspende durchaus ein Teil der Patientenverfügung sein können. Es muss jedoch klar sein, dass dies zwar sein kann, aber nicht so sein muss."

Erwarten Sie, dass ab dem 1.9.09 noch viel mehr Bundesbürger eine Patientenverfügung aufsetzen werden?

Sattler: "Sicher nicht schlagartig ab dem 1.9., je länger das Gesetz jedoch existiert und je mehr (positive) Erfahrungen damit vorliegen und von anderen bekannt werden, gehe ich schon von einer Zunahme aus."

Was sagen Sie allen Ratsuchenden, was in einer Patientenverfügung stehen muss?

Sattler: "Der wichtigste Hinweis bezieht sich nicht auf etwas, was darin steht, sondern darauf, wie es dazu kommen sollte, dass etwas darin steht. Lassen sie sich Zeit, informieren sie sich gründlich, reden sie mit anderen darüber - sehen sie das ganze als einen Prozess, an dessen Ende sie für sich klar sagen können, was sie wollen bzw. gerade nicht wollen."

Kontaktdaten:
Betreuungsverein Ludwigshafen im Diakonischen Werk Pfalz e.V.
Falkenstr. 19, 67063 Ludwigshafen
Ralph Sattler, Geschäftsführung
Dipl. Sozialpädagoge, Dipl. Diakoniewissenschaftler
Tel.: 0621 / 520 79-47 Fax: 0621 / 520 79-48
e-mail: postmaster@betreuungsverein-diakonie-lu.de
http://www.betreuungsverein-diakonie-lu.de

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