pte20090518028 Politik/Recht, Forschung/Entwicklung

CERN-Ausstieg gefährdet Forschungsstandort Österreich

Weiterhin Unverständnis unter Wissenschaftlern


Wien (pte028/18.05.2009/15:00) Die umstrittenene Entscheidung des österreichischen Wissenschaftsministers Johannes Hahn, aus dem Europäischen Forschungszentrum für Teilchenphysik CERN http://www.cern.ch auszutreten, könnte den Forschungsstandort Österreich gefährden. Unter anderem wackelt die Rolle heimischer Wissenschaftler bei der Auswertung der Experimente am Large Hadron Collider (LHC). "Das ist vielleicht das größte intellektuelle Experiment der Menschheitsgeschichte", betonte Peter Skalicky, Rektor der Technischen Universität Wien (TU Wien) heute, Montag, im Rahmen einer Pressekonferenz des Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) http://www.hephy.at der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dabei wurde die Bedeutung des CERN und auch die bislang wichtige Rolle österreichischer Forscher beim internationalen Großprojekt erörtert.

Wie HEPHY-Direktor Christian Fabjan betont, sind 53 österreichische Akademiker Teil des CERN-Personals, während 120 weitere über heimische und internationale Institutionen am CERN forschen. Dies sei gemessen an der Bevölkerung vergleichbar mit der CERN-Nutzung Deutschlands und eine merklich höhere Rate als etwa in Schweden. Auch gab es zwei österreichische Generaldirektoren und die technischen Leiter für zwei von vier LHC-Experimenten stammen aus Österreich, so der HEPHY-Direktor. Derart wichtige Positionen könnten heimischen Wissenschafter nach einem CERN-Austritt verwehrt bleiben. Im Falle eines CERN-Austritts wäre auch die Rolle österreichischer Forscher bei den fundamentalen Experimenten am LHC gefährdet. "Es ist nicht optimal, in der Phase des Einbringens der langersehnten Resultate nicht an vorderster Front dabei zu sein", lässt ÖAW-Präsident Peter Schuster, selbst aufgrund von Verhandlungen im Ministerium verhindert, ausrichten.

Anton Rebhan, Professor für Theoretische Physik an der TU Wien, warnt außerdem vor der Gefahr für die Entwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses. "Meine eigene Erfahrung war, dass eine CERN-Fellowship ein Türöffner war", so der Physiker, der danach in Forschungseinrichtungen in Frankreich und Deutschland tätig war. Hätte es schon damals Signale gegeben, dass das Gebiet der Teilchenphysik in Österreich einen niedrigen Stellenwert habe, wäre er aber nicht unbedingt nach Wien zurückgekehrt. Dass ein CERN-Austritt ohne Auswirkungen auf die Attraktivität Österreichs in den Augen von Spitzenforschern bliebe, darf also bezweifelt werden. Neben der Grundlagenforschung könnten aber auch konkretere Projekte leiden. So sollen Komponenten für das geplante Ionentherapie-Zentrum MedAustron http://www.medaustron.at 2010 und 2011 am CERN getestet werden. Der Austritt könnte zu Verzögerungen an MedAustron führen, so Fabjan.

ÖAW und TU Wien betonen, dass man die Teilchenphysik als Forschungsgebiet in Österreich keinesfalls aufgeben wird. Rektor Skalicky stellt etwa klar, dass man zwar einen Beitrag zur Kostenreduktion leisten könne, indem etwa die TU Wien in Zukunft das HEPHY beherbergt. Allerdings könne die Universität mit einem Gesamtbudget von 190 Mio. Euro keinesfalls die für eine weitere Mitgliedschaft am CERN nötigen rund 20 Mio. Euro allein auffangen - denn um kleine Fische handle es sich bei solch einem Betrag nicht. Hier sei die Gesamtverantwortung der Republik Österreich und ihrer Regierung gefordert. Freilich bleibt bei derartigen Summen auch stets die Frage der Perspektive. Aktuell steht etwa der Eurofighter-Flugplatz in Zeltweg in der öffentlichen Kritik, da die Baukosten um 110 Mio. Euro über den budgetierten 50 Mio. Euro liegen. Zur Bankenrettung macht der Staat Mrd.-Summen locker. "Im Vergleich zu solchen Summen sind 20 Mio. Euro nicht viel", meint Skalicky auf entsprechende Nachfrage von pressetext.

Weitere Fotos zur Veranstaltung finden Sie unter http://fotodienst.at/browse.mc?album_id=2756.

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