pte20080110032 Umwelt/Energie, Forschung/Entwicklung

Forscher machen blinde Fische wieder sehend

Wissenschaftler heben evolutionäre Entwicklung von Jahrmillionen auf


Der mexikanische Höhlensalmler in zwei Formen (Foto: Current Biology)
Der mexikanische Höhlensalmler in zwei Formen (Foto: Current Biology)

Washington/New York (pte032/10.01.2008/13:55) Mehr als eine Million Jahre Evolutionsgeschichte haben die kleinen rund zwölf Zentimeter großen, blinden Höhlenfische in Mexiko gebraucht, um sich an die natürlichen Gegebenheiten im Dunkeln anzupassen. Weil sie in der Dunkelheit nicht sehen müssen, haben sie ihren Sehsinn aufgegeben. Nun ist es US-amerikanischen Forschern durch Kreuzung gelungen, die Fische wieder zum Sehen zu bringen, berichtet das Wissenschaftsmagazin Current Biology http://www.current-biology.com .

In einigen Fällen ist es sogar gelungen, in einer Generation die Ausbildung von Sehorganen wieder anzuzüchten, berichtet das Forscherteam um den Biologen Richard Borowsky von der University of New York http://www.nyu.edu . "Die Wiederherstellung der Sehfähigkeit ist in einer Generation möglich, weil die einzelnen Populationen in verschiedenen Höhlensystemen aus verschiedenen Gründen blind geworden sind. Das bedeutet, dass verschiedene Gene in den einzelnen Populationen funktionslos sind", so Borowsky. Das Forscherteam hatte insgesamt 29 verschiedene Höhlensalmler der Spezies Astyanax mexicanus im Nordwesten Mexikos untersucht. Ursprünglich waren die Tiere kräftig pigmentierte, sehende Fische, die an der Wasseroberfläche lebten. In den vergangenen Jahrmillionen hatten sich insgesamt rund 30 verschiedene Formen ausgebildet - manche davon entwickelten sich zu farblosen, blinden Fischen, die optimal an das lichtlose Leben in den Höhlensystemen angepasst waren.

Die blinden Höhlenbewohner haben im Zuge der Anpassung auch den Körperbau leicht verändert: Im Kiefer tragen sie mehr Zähne und im Maul und Rachen verfügen sie über mehr Geschmacksknospen, um besser Nahrung zu finden. Im Gehirn haben sich jene Regionen, die visuelle Informationen verarbeiten, deutlich verkleinert. In einem frühen Entwicklungsstadium als Embryos entwickeln die Fische allerdings immer noch Sehorgane, die sich erst im Laufe des Wachstums zurückbilden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Verzicht der Augen energetische Vorteile für den Fisch bringen. In vorhergehenden Studien haben Forscher immer wieder angenommen, dass die Evolution der Blindheit und des Pigmentverlustes unabhängig in verschiedenen Regionen und durch Mutationen verschiedener Gene zustande gekommen ist. "Die aktuellen Forschungsergebnisse widersprechen diesem Konzept", erklärt William Jeffery von der University of Maryland in College Park http://www.umd.edu .

Die Kreuzungen mit anderen Fischen hatte den Forschern deutlich vor Augen geführt, wie schnell physische Anpassungen durch Züchtungen mit anderen Artgenossen wieder rückgängig gemacht werden können. Die genetischen Defizite einer Elterngeneration konnten einfach durch die Stärke andere Gene wettgemacht werden. In vorhergehenden Untersuchungen konnte ein Wissenschaftsteam deutlich zeigen, dass jene Gene, die für den Aufbau der Linse und Hornhaut bei den Fischen zuständig sind, auch bei den blinden Tieren voll funktionstüchtig blieben. "Das heißt, dass trotz der Blindheit der Fische, die funktionalen visuellen Systeme nur durch Mutationen einiger Schlüsselgene deaktiviert werden", schlussfolgert Jeffery. Die Studienergebnisse zeigen auch die Bedeutung der geographischen Komponente: Je weiter entfernt die beiden Elternpaare voneinander lebten, desto eher konnte ihr Nachwuchs wieder sehen. Das lege nahe, dass geographisch weiter entfernte Populationen auch genetisch weiter voneinander entfernt sind und dadurch weniger Überlappungen mit den "typischen Blindmachergenen" aufweisen.

Für Evolutionsforscher werden die Höhlensammler auch in Zukunft ein wichtiges Forschungsfeld bleiben, denn damit könnte auch die Entwicklung des menschlichen Auges besser verständlich werden.

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