pte20070504030 Umwelt/Energie, Forschung/Entwicklung

Biologie braucht unbedingt Taxonomen und Systematiker

Linnés Erbschaft muss dringend angetreten werden


München (pte030/04.05.2007/13:55) Zum 300. Geburtstag des schwedischen Naturforschers Carl von Linné warnen deutsche Biologen vor dem Aussterben der Taxonomen und Systematiker: Veränderte klimatische Bedingungen und Biodiversitätsverluste sind zwar medial gut vertreten, allerdings fehlen bald jene Experten, die in Zukunft die Arten für einzelne Regionen bestimmen können. In einer von vielen Fachgesellschaften und großen Naturschutzverbänden getragenen "Initiative Taxonomie" http://www.taxonomie-initiative.de fordern die Unterzeichner die Politiker in Bund und Ländern auf, sich wieder stärker der Forschungsförderung von taxonomischen und systematischen Lehrgebieten zu widmen, die in Deutschland am Aussterben sind.

"Die taxonomische Forschung steckt allerdings nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa in der Krise", meint Georg Kääb, Geschäftsführer vom Verband Deutscher Biologen und biowissenschaftlicher Fachgesellschaften, im pressetext-Interview. Ein Grund sei auch, dass bereits während des Studiums vermittelt werde, dass der Job eines Taxonomen keine Zukunft habe. "Der Anwendungsaspekt bleibt jedoch bestehen, weil es doch wesentlich und sinnvoll ist, eine Art von einer anderen zu unterscheiden." Das sei vor allem vor dem Hintergrund der Veränderung der Artenvielfalt durch die Klimaänderung, aber auch bei der Suche nach neuen Substanzen zur Anwendung in der Humanmedizin notwendig. "Trotz der internationalen Initiative Census of marine Life sind die Meere und deren Lebewesen immer noch ein unbeschriebenes Blatt", meint der Experte. Das Potenzial aus dem Meer sei nicht einmal abschätzbar.

Ähnlich sieht der Wissenschaftler auch die Regenwälder. Obwohl hier zahlreiche Initiativen gute Arbeit geleistet haben, gebe es auch in den Regenwäldern immer noch zahlreiche schwarze Flecken. Medienberichte, wonach Forschergruppen immer wieder über neu entdeckte Tier- und Pflanzenarten berichten, kommen weltweit zwar gut an, hätten aber leider kaum positive Folgen für die Entwicklung. "Bei der Vergabe von Fördergeldern bleibt die Forschung über die Grundlagen der Artenvielfalt regelmäßig unberücksichtigt. Mittlerweile wirkt sich dies auf die biologische Ausbildung so weit aus, dass Lehrstühle dort fehlen, wo es um eine ganzheitliche Forschung und Lehre der Artenvielfalt geht", kritisiert Kääb. Taxonomen würden nämlich nicht nur einzelne Exemplare oder Bestandteile von Organismen betrachten, sondern zusätzlich die spezifische Verbreitung und Anforderung einer Art an das umgebende Ökosystem. "Ohne die Verknüpfung all dieser Informationen wäre auch das Erkennen einer neuen Art unmöglich. Selbst das AIDS-Virus musste ja erst einmal als ein neuer Organismus erkannt und beschrieben werden", so Kääb.

"Jährlich werden fast tausend neue Naturstoffe aus Meereslebewesen der entdeckt, die von der Krebsmedizin bis zur Entwicklung von Waschmitteln von wirtschaftlicher Relevanz sein können", so der Wissenschaftler. Dabei können sehr nah verwandte Arten ein sehr unterschiedliches Substanzspektrum liefern. Es sei also dringend notwendig, die einzelnen Arten genau voneinander unterscheiden zu können. "Wir wollen verhindern, dass es einen Bruch in der Taxonomie gibt, der dadurch zustande kommt, dass der Nachwuchs fehlt. Wir brauchen eine nachhaltige Förderung der taxonomischen Grundlagenforschung, ansonsten gibt es in einigen Jahren keine lebenden alten Forscher mehr, die ihre Erfahrungswerte an junge weitergeben können", so der Experte abschließend im pressetext-Interview. Mittlerweile haben sich mehr als 400 Professoren und Wissenschaftler als Unterstützer der "Initiative Taxonomie" in die Liste http://www.taxonomie-initiative.de eingetragen.

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