pte20041124018 Medien/Kommunikation, Bildung/Karriere

Online-Journalismus weiter brotlose Kunst

Umfrage: Honorare haben sich an Erlöslage im Internet angepasst


Berlin/H I N T E R G R U N D (pte018/24.11.2004/11:00) Online-Journalisten müssen mit sehr viel weniger auskommen als ihre Kollegen bei Print- und audiovisuellen Medien. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von pressetext.deutschland in den letzten Wochen. Während sich etablierte Medien noch an der Reputation des jeweiligen Redakteurs und an Zeilen- sowie Seitenhonoraren im Printbereich orientieren, müssen Redakteure bei weniger bekannten Online-Medien zufrieden sein, wenn sie stundenweise oder auch tageweise abrechnen können. Kenner der Branche sprechen bereits von Journalisten als Tagelöhnern, entsprechend der allgemein schlechten Finanzsituation bei Online-Medien.

Wie die Umfrage von pressetext.deutschland, an der viele Medien nicht teilnehmen wollten, ergab, bewegen sich die Honorare in einer sehr großen Spannweite. Im Allgemeinen gilt, dass die Vergütungen Verhandlungssache sind und eng an Textqualität und Berufserfahrung geknüpft werden. Das bestätigte unter anderem Christian Persson, Chefredakteur von heise online. http://www.heise.de Journalistische Anfänger können dort für einen Text mit ca. 5.000 Zeichen mit etwa 220 Euro rechnen. Profis werden bis zu 350 Euro für dieselbe Textlänge geboten. Beim Onlineticker werden die Honorare mit der Begründung halbiert, dass es sich dabei um "schnellen Journalismus" handle, der nicht so tiefgehend sei.

Bei der dpa beläuft sich das Zeilenhonorar (62 Anschläge) auf 1,03 Euro. Wenn die für einen Bericht benötigte Zeit aber nicht mit einem Zeilenhonorar in Übereinstimmung gebracht werden kann, erhalten Freie einen Tagessatz. "Und der richtet sich sehr nach Aufwand und Qualität des Mitarbeiters", erklärte dpa-Pressesprecher Justus Demmer. Nachrichtenagenturmitbewerber ddp http://www.ddp.de vergütet kurze Meldungen von Freien mit etwa 15 Euro. Für längere Beiträge steigt das Honorar laut Chefredakteur und geschäftsführendem Gesellschafter Lutz Schumacher auf bis zu 70 Euro. Netzeitung-Chefredakteur Michael Maier entlohnt Beiträge freier Autoren für seine Internet-Tageszeitung mit 50 bis 130 Euro. http://www.netzeitung.de

Viele Online-Redaktionen entlohnen die freien Journalisten mit Stunden- oder Tagessätzen. Die Süddeutsche Zeitung bezahlt im Schnitt 13 Euro brutto pro Stunde. Freie eigens für den Onlinebereich gibt es dort nicht. Die Financial Times Deutschland (FTD) http://www.ftd.de zahlt einen Tagessatz von 150 bis 200 Euro. Das Zeilenhonorar beträgt nach Auskunft von Isabell Arnold, geschäftsführende Redakteurin bei der FTD, 1,28 Euro, die Textpauschalen liegen zwischen 200 und 250 Euro. Eigene Mitarbeiter für den Online-Bereich gibt es bei der FTD nicht, die hier sehr stark mit studentischen Aushilfskräften arbeitet. Bei der Nachrichtenagentur ddp, die zuletzt mit Insolvenz und Gehaltskürzungen von 20 Prozent Schlagzeilen machte, beträgt das Tageshonorar "weniger als 300 Euro". Die Netzeitung bietet ihren Mitarbeitern einen Tagessatz zwischen 90 und 120 Euro.

Jürgen Marks, Chefredakteur von FOCUS Online, ließ wissen, dass sich die "Online-Honorare für freie Journalisten an die Erlöslage im Internet angepasst haben". Aufgrund der "wirtschaftlich schwierigen Situation" sei das Budget für freie Mitarbeiter gekürzt worden. Freie würden nur auf Basis von Tagessätzen beschäftigt, die frei ausgehandelt werden und sich an "den Fähigkeiten der Kollegen" orientieren. Nähere Angaben wollte Marks nicht machen. In dieses Fahrwasser schlägt auch Matthias Großmann, Verlagsleiter für Capital und Impulse der Gruner + Jahr-Gruppe. "Für Qualität zahlen wir unverändert gute, faire und angemessene Honorare", erklärte er kurz. Mehr ließ er aber nicht raus.

Der Nachrichtensender n-tv, die Verlagsgruppe Handelsblatt, stern und stern online wollten keine Auskünfte über die Honorare erteilen. Auch bei Spiegel, Welt und FAZ waren trotz mehrmaliger Anfrage keine Informationen erhältlich. Das Magazin Cash hat sich nach Angaben von Chefredakteur Markus Deselaers von Beiträgen freier Journalisten vollständig verabschiedet. Andere Magazine arbeiten hingegen ausschließlich mit Freien oder verzichten ganz auf journalistische Mitarbeiter. Bei Wallstreet:online http://www.wallstreet-online.de etwa zahlen die zuliefernden Redakteure dafür, dass sie publizieren dürfen. Dort handelt es sich aber in der Regel um Börsen-Experten, die Publizität für ihre anderweitigen Geschäfte brauchen.

In Österreich ist die Lage für Online-Redakteure nicht besser. Grundsätzlich scheint die Tendenz vorzuherrschen, dass die neuen Medien auf billige Arbeitskräfte, meist Berufseinsteiger setzen, um sich über Wasser zu halten. "Der große Andrang von journalistischen Volontären in den neuen wie alten Medien hält unverändert an, wieso sollte man also mehr als nötig zahlen", so ein Chefredakteur, der nicht genannt werden will. Die Gehaltsspannen liegen für freie wie fixe Mitarbeiter bei 1.400 bis 2.000 Euro monatlich. Wer mehr verdient, hat schon mal gut verhandelt.

Auch in der Schweiz können sich freie Journalisten keine goldene Nase mehr verdienen. Zwar sind die Honorare für sich betrachtet verhältnismäßig hoch, aber die Lebenshaltungskosten liegen deutlich über denen in Deutschland oder Österreich. Die Werbewoche http://www.werbewoche.ch entlohnt ihre Freelancer mit einem Tagessatz von umgerechnet 290 bis 325 Euro. "Reine Online-Journalisten beschäftigen wir keine", erklärte Chefredakteur Pierre C. Meier auf Anfrage. Das Branchenmagazin persoenlich.com http://www.persoenlich.com vergütet Texte mit rund 390 bis 3.300 Euro - "ja nach Umfang der Arbeit", sagt Verleger und Chefredakteur Oliver Prange, ohne näher auf Print und Online einzugehen.

Klare Verhältnisse herrschen auch beim Manstein Verlag in Wien. Die Freien erhalten laut Chefredakteur Maximilian Mondel für eine Magazinseite 150 Euro. Für den Online-Bereich sind keine freien Mitarbeiter beschäftigt, er wird von den angestellten Redakteuren mitbetreut. http://www.horizont.at Beim Medianet Verlag ist die Bandbreite größer: tagesaktuelle Texte werden durchschnittlich mit rund 120 Euro vergütet, für Magazinstorys winken den Freelancern mehr. "Da kann eine Story dann schon mal ein, zwei tausend Euro kosten", so Herausgeber Chris Radda im Gespräch mit pressetext. http://www.medianet.at

Auch wenn die schreibende Zunft immer mehr online ist, die Zukunft ist deshalb noch lange nicht rosig. Nur 40 Kilometer von Wien entfernt, in der slowakischen Hauptstadt Bratislava, werken bei der unabhängigen Nachrichtenagentur SITA http://www.sita.sk 100 Redakteurinnen und Redakteure, die im Schnitt 150 bis 250 Euro monatlich für einen Fulltimejob bezahlt bekommen. Das Preisniveau in derselben Stadt ist - auch durch den EU-Beitritt - mittlerweile bei 50 - 70 Prozent des Wiener Niveaus angelangt. Schrieben mehr Slowaken deutsch (statt englisch), sagt ein Insider, würden die Wiener Medien deutlich mehr in Bratislava rekrutieren.

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