pte19990121009 Umwelt/Energie, Forschung/Entwicklung

Blutgefäße aus Traubenzucker

Weichgewebe-Implantate für die Mikrochirurgie


Jena (pte) (pte009/21.01.1999/08:40) Chemiker der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben einen Weg gefunden, um aus bakterieller Cellulose Weichgewebe-Implantate für die Mikrochirurgie herzustellen.http://www.uni-jena.de/ Das Team um Prof. Dr. Dieter Klemm hat dabei einen aus der Natur bekannten Vorgang biotechnologisch weiterentwickelt. Einige Bakterien-Arten, wie Acetobacter xylinum, können aus einfachen Zuckern den vom Holz bekannten Grundstoff Cellulose bilden. Während sich der natürliche Traubenzucker (Glukose) allerdings wegen seiner Struktur in Wasser auflöst, ist es den Chemikern gelungen, Celluloseketten mit 4.000 bis 8.000 Molekülen herzustellen, "die nicht mehr wasserlöslich sind". "In Standkulturen ordnet sich die Cellulose an der Grenzfläche zwischen Luft und Nährmedium in Form eines Vlieses an, das leicht abgehoben werden kann", erläutert Prof. Klemm, der einen bundesweiten Forschungsschwerpunkt zur Cellulose-Chemie von Jena aus koordiniert. Das Vlies besitzt eine relativ stabile Netzstruktur, ist biologisch verträglich und kann Wasser aufnehmen, ohne sich aufzulösen.

Die Jenaer Diplom-Chemikerin Ulrike Udhardt hat nun mittels Doppelmantel-Glasrohren eine Technik entwickelt, wie aus der bakteriensynthetisierten Cellulose, die den Namen BASYC erhielt, Hohlfasern hergestellt werden können. Diese winzigen 'Schläuche' mit einem Durchmesser bis hinunter zu einem Millimeter. sind hervorragend als Weichgewebe-Implantate geeignet, etwa als Ersatzmaterial für Blutgefäße oder als Nervenumhüllungen. Allerdings läßt sich BASYC mit der vorhandenen Technologie bisher nur auf eine Länge von maximal 1,5 cm bringen. "Das ist für die meisten mikrochirurgischen Eingriffe zunächst ausreichend", sagt Prof. Dr. Dr. Dieter Schumann, Direktor der Jenaer Uni-Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. "Für die Mikrochirurgie existiert kein vergleichbares Material", unterstreicht Prof. Schumann. Ersatzgefäße aus Teflon etwa können keinen so kleinen Durchmesser haben wie die Jenaer Cellulose-Verbindung. Außerdem hat BASYC eine so glatte innere Seite, wie sie nur bei organischen Gefäßen existiert - und dies ohne Nachbearbeitung.

Besonders überrascht waren die Mediziner allerdings von einer anderen Eigenschaft: BASYC wird sehr schnell durch organische Zellen so 'bewachsen', daß bereits nach nur vier Wochen ein neues Gefäß in den kleinen 'Schlauchstücken' entstand. Dieses Gefäß ermöglichte nicht nur eine problemlose Durchblutung der Operationsstelle, sondern wuchs bis auf seinen natürlichen Durchmesser an - weil es das Cellulosematerial, das nur noch als Hülle über dem neuen Gefäß liegt, ausdehnen konnte. Nun müssen die Tierversuche zeigen, ob sich das Material auch für einen Einsatz am Menschen eignet. Die Jenaer Mediziner sind optimistisch, weisen aber auch darauf hin, daß die entsprechenden Tests und Genehmigungsverfahren sehr lange dauern können. Informationen: Prof. Dr. Dieter Klemm, Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der Universität Jena, Tel.: 0049/3641/948260, e-mail: c5koan@rz.uni-jena.de und Prof. Dr. Dr. Dieter Schumann, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Jena, Tel.: 0049/3641/ 933180, e-mail: opitz@bach.med.uni-jena.de (idw)

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