pte19970625004 Politik/Recht, Unternehmen/Wirtschaft

V o r s c h a u auf Österreichs EU-Präsidentschaft

"Rot-Weiß-Rote" Herausforderungen im zweiten Halbjahr 1998


Wien (pte004/25.06.1997/22:29) Am 1. Juli 1998 - in knapp einem Jahr - übernimmt Österreich als erster der drei neuen EU-Mitgliedstaaten den Vorsitz in der Europäischen Union (EU). Die EU-Präsidentschaft erfordert schon jetzt große Anstrengungen. Während die organisatorische Vorbereitung des EU-Vorsitzes unter der Federführung des Außenministeriums erfolgt, werden inhaltliche Fragen gemeinsam von Außenamt und Bundeskanzleramt erarbeitet.

Vor Österreich wird Großbritannien den Vorsitz einnehmen, nach Österreich die Bundesrepublik Deutschland. Zentrale Aufgabe der jeweiligen Präsidentschaft ist es, die Arbeiten im (Minister-) Rat der EU zu strukturieren und zu leiten. Ihre Aufgabe ist es, in den Sachfragen auf tragfähige Kompromisse hinzuarbeiten; nationale Interessen müssen dabei zugunsten der Union zurückgestellt werden. Der Erfolg wird also davon abhängen, inwieweit es Österreich gelingt, die laufenden Arbeiten der Union - das sogenannte Pflichtprogramm - zu managen.

Einige Zahlen verdeutlichen die großen Belastungen, die eine Präsidentschaft mit sich bringt: Innerhalb von nur sechs Monaten sind etwa 40 Ministerratstagungen und 1500 Treffen auf Beamtenebene zu leiten. Dazu kommen noch zahlreiche Kontakte mit Drittstaaten auf Regierungs- und Beamtenebene sowie Termine im Plenum des Europäischen Parlaments und in seinen Ausschüssen. Trotz dieser Belastungen muß Österreich natürlich bestrebt sein, auch eigene Initiativen zu setzen.

Im "Kürprogramm" ist eine rechtzeitige Selektion der Themen wichtig. Aufgrund der langwierigen legislativen Prozesse in der Union müssen schon jetzt entsprechende Impulse gesetzt werden, wenn ein Vorschlag im zweiten Halbjahr 1998 entscheidungsreif werden soll.

Worum geht's 1998?

- Die Union muß die zentralen Entscheidungen über den Eintritt in die 3. Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion bzw. für die Einführung des Euro treffen;
- Sie muß Erweiterungsverhandlungen aufnehmen und die Reform der Strukturpolitik und der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Finanzielle Vorausschau für die Zeit nach 1999 vorbereiten;
- Sie muß die Ergebnisse der derzeit laufenden Regierungskonferenz umsetzen.

In welchem Stadium die österreichische Präsidentschaft diese Dossiers übernehmen wird und welche konkreten Entscheidungen während des Vorsitzes anstehen werden, ist derzeit schwer abschätzbar. Tendenzen lassen sich aber bereits heute erkennen.

WWU, EU-Erweiterung, Agrar- und Strukturpolitik

Was die Wirtschafts- und Währungsunion betrifft, dürften die wichtigsten Entscheidungen für die Einführung des Euro bereits unter britischer Präsidentschaft fallen. Österreichs Aufgaben im WWU-Bereich würden dann die Vorbereitung des Euro und die Beschlußfassung über die für die Einrichtung der Europäischen Zentralbank notwendigen Rechtsakte bilden.

Hinsichtlich der EU-Erweiterung dürften unter österreichischer Präsidentschaft bereits die ersten echten Beitrittsverhandlungen fortgesetzt werden. Auf dem Amsterdamer Gipfel wurde jedenfalls bekanntgegeben, daß es beim Beginn der Verhandlungen mit den 11 Kandidaten mit Anfang 1998 bleibt.

Aufgrund der bevorstehenden Erweiterung und wegen der kommenden WTO-Verhandlungen erscheint auch eine Erweiterung der Gemeinsamen Agrarpolitik erforderlich. So müssen v.a. die Finanzierungsmöglichkeiten für die Einbeziehung der zukünftigen EU-Mitgliedstaaten in die Gemeinsame Agrarpolitik und eine WTO-konforme Regelung für diesen Bereich gefunden werden. Es ist aus heutiger Sicht aber nicht zu erwarten, daß die dafür notwendigen Verhandlungen noch während der österreichischen Präsidentschaft abgeschlossen werden.

Gleiches gilt für die Reform der Strukturpolitik, deren derzeitige Regelungen Ende 1999 auslaufen. Die EU-internen Verhandlungen bezüglich der neuen Anpassungen werden sehr schwierig werden; ein Abschluß ist während der österreichischen Präsidentschaft daher eher unwahrscheinlich.

Die derzeitige Finanzielle Vorausschau läuft ebenfalls 1999 aus. Für die folgenden Jahre muß also ein neues Finanzpaket geschnürt werden. Dieses wird im zweiten Halbjahr 1998 bereist intensiv diskutiert; eine Einigung während der österreichischen Präsidentschaft ist aber auch hier eher nicht zu erwarten.

Ratsvorsitz keine "Routinepräsidentschaft"

Als "Routinepräsidentschaft" kann die österreichische aufgrund der genannten Aspekte keineswegs bezeichnet werden. Der Schwerpunkt der inhaltlichen Vorbereitungen darauf muß deshalb zunächst im Aufbau fundierter Expertisen und eines Netzes von Kontakten bestehen, um auf die Herausforderungen rasch und sachgerecht reagieren zu können.

Obwohl die Masse der EU-Arbeit auf Brüssel konzentriert ist, finden unter jeder Präsidentschaft eine Vielzahl von medial äußerst wirksamen Tagungen im jeweiligen Vorsitzland statt, an denen eine relativ große Zahl an Delegationen teilnimmt. Das Programm ist dicht gedrängt: Für Juli, September und Oktober kann allein auf Ministerebenen mit einer Veranstaltung pro Woche gerechnet werden.

Die wichtigsten Ereignisse der österreichichen Präsidentschaft:

- der Europäische Rat von Wien mit rund 2.000 Delegierten und 3.000 Journalisten;
- 10 außerordentliche Ministerräte bzw. Ministerkonferenzen;
- das Arbeitstreffen der Bundesregierung mit der EU-Kommission zu Beginn des Vorsitzes;
- vermutlich ein außerordentlicher Europäischer Rat;
- eine Ministerkonferenz der EU mit den 12 südafrikanischen Entwicklungsländern (SADC);
- weitere bi-/multilaterale Treffen auf Ebene der Regierungschefs oder der Außenminister im Rahmen der sogenannten Drittstaatsbeziehungen der EU;
- 40 Treffen auf hoher Beamtenebene von verschiedenen Gremien des Rates, die im Rahmen des Vorsitzes nach Österreich eingeladen werden.

Veranstaltungen in allen Bundesländern

Für die meisten Veranstaltungen wird der als modernes Konferenzzentrum adaptierte Redoutensaaltrakt der Hofburg verwendet werden. Einem Beschluß der Bundesregierung entsprechend werden jedoch neun der informellen Ministertreffen in den Bundesländern durchgeführt - dies als bewußte Geste gegenüber dem Föderalismus.

Die Qualität des österreichischen Vorsitzes wird von den europäischen Partnern v.a. an der Bewältigung der inhaltlichen Arbeit gemessen werden. Das bedeutet, daß die österreichischen Vorsitzenden in den einzelnen Gremien - Politiker und Beamte - nicht nur die Dossiers, sondern auch die Führung des Konferenzgeschehens beherrschen müssen. Die Diplomatische Akademie und die Verwaltungsakademie des Bundes haben dafür bereits im vergangenen Jahr ein gemeinsames Schulungsprogramm vorgelegt.

Die Erfahrungen vorangegangener Präsidentschaften zeigen, daß rund 10.000 Delegierte und 2.000 Journalisten in Österreich erwartet werden können. Dieser Personenkreis umfaßt viele der wichtigsten Entscheidungsträger und Meinungsbildner Europas. Österreich ist daher gefordert, seine geographische und kulturelle Vielfalt zu präsentieren sowie Sachkompetenz und diplomatisches Geschick unter Beweis zu stellen.

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