pte19970616002 Unternehmen/Wirtschaft, Sport/Events

DIE FORSTINGER-STORY

Porträt eines Familienunternehmens im Umbruch


Wien (pte002/16.06.1997/09:13) Aus einem patriarchalisch geführten Familienbetrieb hat sich die Handelskette FORSTINGER binnen kurzer Zeit zu einem teamorientierten Unternehmen entwickelt. Die Umstellung nach dem Generationswechsel 1996 verlief erfolgreich.

"Forstingers Wunderwelt"
Zweimal im Jahr besuchte der Chef seine Filialen. Es waren keine Überraschungsbesuche, seine Ankunft war immer avisiert. Mit den Worten "Is' eh alles in Ordnung?" begrüßte er jeden Mitarbeiter und war stolz, daß die Auslagen blitzblank geschrubbt waren. Der Chef - Norbert Forstinger, Jahrgang 1936, ein hemdsärmeliger Selfmademan, der in 35 Jahren ein Imperium von 120 Geschäftsfilialen aufgebaut hatte - gab den Ton an. Für Diskussionen war er nicht zu haben, wenn es um seine Welt ging.

Bevor der gebürtige Tiroler 1962 in einem Kellerlokal im 15. Wiener Gemeindebezirk sein erstes Geschäft aufsperrte, war Forstinger bei der B-Gendarmerie in der Beschaffung für den Fuhrpark tätig. Die dort gesammelten Erfahrungen brachten ihn auf die Idee, Ersatzteile und Zubehör für private Autofahrer zu beschaffen. Forstinger tat dies gleich ganz unkonventionell. Er schaltete den Zwischenhandel aus und war damit preisgünstiger als die gesamte Konkurrenz. Als erster Diskonter feierte er rasch den Durchbruch.

1964, als Sohn Jürgen geboren wurde, zog Forstinger in die Hütteldorfer Straße, noch heute eine der bestgehenden Filialen. Sie ist ein interessantes Studienobjekt für die Firmengeschichte, da sie aufgrund ihrer Lage und Anordnung bisher nicht umgebaut wurde. 1975 schaffte man die erste Umsatzmillion am Tag. Mit der Eröffnung der Filiale in St. Pölten 1978 begann die steile Expansion in die Bundesländer. Noch im selben Jahr folgten Mödling, Berndorf und Hainburg. 1992 wurde die 100. Filiale in Kapfenberg eröffnet.

Bei den Filialeröffnungen zeigte sich der Chef den Mitarbeitern und Kunden gerne, doch sonst entsagte er sich der Öffentlichkeit und dem Luxus vollständig und blieb in seinen persönlichen Ansprüchen bescheiden und zurückhaltend. Eine legendäre Anekdote ist von einer der vielen Eröffnungen überliefert. Demnach überklebte Forstinger das hinter seinem Schreibtisch hängende Schild "Größer werden wir nimmer" mit Leukoplast, weil er immer wieder auf das rasche Wachstum angesprochen wurde.

Übrig blieb das Motto "Größer werden wir immer", an das sich auch die junge Forstinger-Generation hält. Jedes Jahr wurden knapp zehn neue Standorte eröffnet. Die Finanzierung der Grundstücke und Filialen erfolgte durch Kauf-Leasing. Damit sicherte sich Forstinger den umfangreichen Immobilienbesitz, der bei Betriebsübergabe in eine Stiftung eingebracht wurde.

Die Arbeitswoche hatte drei Tage
Forstinger war vom Erfolg verwöhnt. Der einzige Rückschlag, den er im Laufe seiner Karriere hinnehmen mußte, war der bis heute ungeklärte Brand im Wiener Zentrallager im November 1993. Es blieb aber der einzige graue Fleck in der steten Aufwärtsentwicklung. Privat stand Bequemlichkeit an erster Stelle. So schlug er auch sein privates Hauptquartier über dem Zentrallager auf, um sich längere Anfahrtswege oder Staus zu sparen.

Forstingers herausragende Eigenschaften waren Organisationstalent und Zeitmanagement. Seine Arbeitswoche hatte nur drei Tage: Montag bis Mittwoch. Den Rest der Woche verbrachte er in seinem Freizeit-Domizil, um neue Pläne zu schmieden. Als Unternehmerpersönlichkeit war Forstinger bei Mitarbeitern äußerst beliebt. Er agierte ruhig und präzise und beeindruckte mit Effizienz. So scharte er immer qualifizierte und motivierte Mitarbeiter um sich. Auch seine zwei Kinder wurden schon früh auf die Unternehmensführung vorbereitet. Beide stiegen schon mit 15 Jahren ein, Tochter Manuela (Jg. 1962) ist heute für Revision und Controlling zuständig.

Entscheidungen traf Forstinger jedoch immer ganz allein. Entgegen kam ihm dabei eine Generation, die es gewohnt war, Anweisungen zu empfangen. Die Führungsmannschaft heute denkt da anders. Teamorientierung ist jetzt das Schlagwort, und jeder Mitarbeiter ist angehalten, mitzudenken. Das sei gar nicht so selbstverständlich, meint Peter M. Karasek, der für Marketing und Vertrieb zuständige Co-Geschäftsführer der Handelskette. "Denn jetzt sind wir bei Fehlern auch selbst schuld."

Wenn Forstinger sen. auf Besuchstour ging, wurden die Filialen auf Hochglanz gebracht. Das reicht dem neuen Team nicht. Heute müssen die Geschäfte und Verkäufer jeden Tag in Höchstform sein und für den Kunden arbeiten, nicht mehr für den Chef. Dieser Führungsstil gibt den Mitarbeitern die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Wo früher maximal Produktschulungen angesagt waren, werden heute vom Persönlichkeitstraining bis zur Verkaufsschulung zahlreiche Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt.

Die neue Generation
Kurz vor der Betriebsübergabe 1995/96 holte Jürgen Forstinger Peter M. Karasek an Bord, mit dem ihn eine über 15jährige Freundschaft verbindet. Der weltoffene und kommunikative Manager war als Vertreter des Batterienherstellers VARTA, des US-Erzeugers Monroe (Stoßdämpfer) und später als Prokurist des Autoleuchtenerzeugers Hella jahrelang einer der wichtigsten Lieferanten des Hauses und kennt die Branche von der Pike auf. Diese Erfahrung kommt Jürgen zugute, der - ebenso wie sein Vater - ehrgeizige Pläne und Ziele verfolgt.

Karasek teilt mit dem jungen Chef das Büro. "Das ist bei uns Tradition, das finden wir praktisch", sagt der 55jährige Marketingspezialist. "Auch die zwei Forstingers saßen in einem Büro. Nach der Übergabe wechselte Jürgen bloß den Schreibtisch." Wie beim Vater gibt es auch beim Sohn keine Sekretärinnen. "Die Kommunikation mit den Bereichsleitern funktioniert so besser und rascher. Die Dinge müssen nicht zweimal besprochen werden, und der persönliche Kontakt wird dadurch vertieft", meint Karasek, der in Argentinien aufgewachsen ist und perfekt Spanisch und Englisch spricht.

Das neue Team nimmt seine Sache sehr ernst. Schon im ersten Jahr krempelten Jürgen Forstinger und Peter M. Karasek das Unternehmen völlig um. Aus drei Forstinger-Läden - Autobedarf, Hitmarkt und Topmarkt - entstand der "neue" Forstinger, mit einem prägnanten Markennamen, aus dem jetzt eine "Europa-Marke" gemacht werden soll, wie Karasek sagt. Der One-Man-Show von gestern steht heute eine stabile Firmenstruktur gegenüber, die aus zwei Geschäftsführern mit getrennten Bereichen, vier Bereichsleitern, 12 Verkaufs- und 120 Filialleitern besteht.

"Schlank ist die Devise"
Mit dem Umbau des Unternehmens wurden auch EDV und Personalwesen reorganisiert: mit prämienorientiertem Gehaltssystem, Stellenbeschreibungen, Schulungsprogrammen und spezifischen Coachings. Forstinger wird hierbei ebenso von einem externen Berater (ARGO) unterstützt wie bei seinem Werbeauftritt, der seit Jahresbeginn 1996 von der Wiener Agentur Marat gemanagt wird. Zuvor waren Werbeaktivitäten ausschließlich Chefsache. Zu den Rationalisierungsmaßnahmen zählen die Neuorganisation der gesamten Logistik über das Zentrallager in Wien 23 und die Auslagerung des kompletten Fuhrparks. Die 20 Lastwägen, die rund um die Uhr im Einsatz sind, werden nun vom Liezener Spediteur Tatschl gefahren.

Die lange Lehrzeit bei seinem Vater hat das Organisations- und Verhandlungsgeschick Jürgen Forstingers geprägt. Auch er ist ein Mann der Praxis, mit hoher Intelligenz und sozialer Kompetenz. Bei Lieferanten gilt der auch sportlich durchtrainierte Unternehmer als harter, aber fairer Partner, der weder sich noch seinem Gegenüber etwas schenkt. Mehr denn je zuvor zählen heute jedoch Mitarbeiter und Kunden als Kapital des Unternehmens. Mit dem Wissen um die Nachteile des alten Führungsstils im Gepäck pflegt der introvertierte junge Workoholic einen ganz neuen Umgang.

Jürgen Forstinger kümmert sich stärker ums Tagesgeschäft, um Mitarbeiter und Kunden vor Ort. Dies schlägt sich u.a. in häufigeren Besuchen, kollegialem Umgangston und im Produktsortiment nieder, das neben Autoersatzteilen und Zubehör verstärkt Freizeit, Haus und Garten integriert. Die einst aus-schließlich männliche Klientel wird daher zunehmend "familiär": Bereits 38% der Kunden von Forstinger sind Frauen und Jugendliche. Beim Renovieren der kleineren Forstinger-Märkte wird diesem Trend verstärkt Rechnung getragen. Auch der Slogan spricht davon: "Forstinger hat mehr".

Wettbewerb Europa
Die neue Forstinger-Führung hat einen guten Start hingelegt. Schon im Jahr der Übernahme (1996) konnte ein Umsatzplus von 10 % auf 2,4 Mrd. Schilling erzielt werden. Für die nächste Zukunft hat das Unternehmen große Pläne, aber keine Illusionen. "Von Wien bis Hamburg ist Platz", lautet der Stehsatz, zuerst will man aber die Hausaufgaben machen. "Der beste Schutz vor ausländischem Wettbewerb ist, den Heimmarkt zu beherrschen", sagt Karasek. Dazu zählt er u.a. die laufenden Um- und Ausbauten der älteren Forstinger-Märkte, den Bau neuer Filialen und die Erschließung weiterer Produktbereiche. 10 bis 15 Forstinger-Filialen kann der österreichische Markt noch vertragen, ist der Familienmensch überzeugt.

Zu den weiteren Überlegungen zählen Expansionspläne im Ausland. Eigene Forstinger-Märkte kann man sich im ganzen deutschsprachigen Raum vorstellen. In den östlichen Nachbarländern ist Franchising ein Thema. Norbert Forstinger sen. will bei dieser Entscheidung nicht mehr mitreden. Der öffentlichkeitsscheue Patriarch hat sich ins Privatleben zurückgezogen und betreut mit Vorliebe seine Immobilienstiftung.

Information: Jürgen Forstinger, Peter M. Karasek, Forstinger Handelsgesellschaft m.b.H., Richard Strauss Straße 28, A-1230 Wien, Tel: 01-61012-128, Fax: 01-61012-41, Temmel & Seywald, Tel. 01-4024851-0, Fax DW 18.

(Ende)
Aussender: pressetext.austria
Ansprechpartner: Dr. Wilfried Seywald, email: temmel@seywald.co.at, Tel. 01/4
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