pte20180122020 Medien/Kommunikation, Kultur/Lifestyle

Migration: Bilder produzieren Sehnsüchte

Michael Zinganels Thesen zur Migration und Mobilität


Wien (pte020/22.01.2018/13:30) Anlässlich der Programmvorstellung der Europäischen Toleranzgespräche 2018 in der Oberbank Wien hat der Salzburger Zeithistoriker und Architekturtheoretiker Michael Zinganel vergangene Woche seine Thesen zur Mobilität und Migration im Alpen-Adria-Raum präsentiert. Anhand zahlreicher Beispiele zeigte Zinganel auf, dass es vor allem die enormen Erwartungshaltungen seien, die Menschen auf den Weg bringen und diese seien wiederum die Folge der Flut an Bildern und Erzählungen, die heute gerade über die sozialen Netzwerke in Sekunden um die ganze Welt gehen.

Schutzzonen und Rituale zur Konfliktvermeidung

Für die einen geht es schlicht um ein besseres Leben, weil sie in ihrer Heimat keine Hoffnung und Zukunftsperspektiven mehr haben, für die anderen um den Reiz des Neuen, um Erfahrungen, Abenteuer und Status. Dass es bei der Begegnung mit Migranten mitunter zu Problemen kommt, darüber wurde viel berichtet. Weniger bekannt ist, dass auch im Tourismus Schutzzonen ("Landschaften aus Vorder- und Hinterbühnen") errichtet und Rituale entwickelt würden, um die Begegnungen zwischen Gästen, Dienstleistern und Einheimischen erträglich zu halten. Andernfalls würde es häufiger zu Konflikten kommen, sagte Zinganel und erinnerte an "Risikogruppen", die gerade erst zu reisen lernen oder selbst eigensinnige Vorstellungen von Ferienverhalten mitbringen, wie an die Anfänge des "russischen Neo-Oligarchen-Ansturms", die "Invasion" arabischer Gäste in Zell am See oder britische Nachsaisontouristen, die in einer Woche Vollrausch im Zillertal den Gastort zu verwüsten drohten. Mittlerweile werden Infobroschüren für Dienstleistende Reisende aus anderen Kulturkreisen, um ein Mindestmaß an Anpassung an örtliche Gepflogenheiten zu garantieren.

Aufbruch ins Ungewisse

Die Verbesserung der Infrastruktur und moderne Kommunikationstechnologien haben dazu geführt, dass die Informationen darüber, wo es ein besseres Leben gibt, überall verfügbar sind. Die Menschen in Entwicklungsländern seien einem Meer an Bildern und Fehlinformationen ausgesetzt und machen sich in der Erwartung auf den Weg, am schönen Leben in Europa teilzuhaben, wenn sie nur ans Ziel gelangen. Die anderen fahren weg im Sog der Vorausgehenden, von denen immer nur "Erfolgsnachrichten" in die Heimat gelangen. Denn diese müssten ja die hohen Reisekosten argumentieren, ein Scheitern kommt daher erst gar nicht infrage.

"Multiorganversagen des Westens"

Zinganel sprach in diesem Zusammenhang von einem "komplexen Multiorganversagen" der Weltgemeinschaft und sieht wenig Hoffnung, dass diese Migrationsströme eingedämmt werden könnten. Die besten Programme in Entwicklungsländern, ihre Talente im Land zu halten, scheitern daran, dass die seit 30 Jahren hereinflutenden Bilder von einem besseren Leben in Europa oder Amerika eben 'cooler' sind. "Jeder kennt jemanden, der ein besseres Leben gefunden hat", so Zinganel. Der tragische Aspekt dabei ist, dass kaum negative Erfahrungen in die Entwicklungsländer zurückschwappen.

Hintergrund: Michael Zinganel kuratiert Ausstellungen und Projekte über Alltagsarchitektur, Sicherheitstechnik sowie Tourismus als Motor transnationaler Mobilität und unterrichtet an zahlreichen Universitäten und Hochschulen, unter anderem in Wien, Graz, Linz, Luzern und Zürich. Seit 2017 hält er eine Gastprofessur am Institut für Kulturanalyse an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Er präsentierte seine Thesen aus Anlass der Programmvorstellung der Europäischen Toleranzgespräche, die dem Thema "Sehnsucht nach Europa - Über die Suche nach dem verlorenen Paradies" gewidmet ist.

Fotos zur Veranstaltung stehen auf http://fotodienst.pressetext.com/album/3649 kostenlos als Download zur Verfügung.

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