pts20171213021 Medizin/Wellness

Rauchverbot: Offener Brief der Österreichischen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie


Klagenfurt (pts021/13.12.2017/13:50) An Herrn Bundesminister Sebastian Kurz (Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres) und Herrn Bundesparteiobmann Heinz Christian Strache (Freiheitliche Partei Österreichs):

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesparteiobmann!

Was Mediziner und Politiker verbinden sollte, ist der Anspruch, alles im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten liegende zum Wohl der gesamten Bevölkerung beizutragen. Mit der geplanten Aufhebung der 2015 beschlossenen Novelle des Tabakgesetzes haben Sie diesen Anspruch aufgegeben. Das ohnehin viel zu spät kommende Rauchverbot in der Gastronomie wieder aufzuheben ist gesundheitsverachtend und steht im krassen Widerspruch zu allen internationalen Bemühungen, eine der größten Gesundheitsgefahren zurück zu drängen.

Wie Sie wissen, ist der Nikotinkonsum die häufigste Einzelursache für bösartige Tumore im Bereich der Lunge und Kopf- Halsbereich. Insgesamt geht beinahe jede dritte Krebserkrankung auf das Konto von Tabakrauch. Bei Organen, die mit seinen Giftstoffen direkt in Verbindung kommen, sind es bis zu 90 Prozent. In den Operationssälen der Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie müssen wir jede Woche Menschen faustgroße Löcher in das Gesicht schneiden, um von Rauchen verursachte Tumoren im Bereich der Mundhöhle, Zunge und Lippe zu entfernen. In aufwendigen mehrstündigen Operationen müssen dann die entstandenen Defekte mit verschiedenen Haut-, Muskel- oder Knochentransplantate wiederhergestellt werden. Vier von fünf dieser Tumoren in der Mundhöhle sind durch Nikotinmissbrauch entstanden. Bei jährlich insgesamt 1.225 neuen Krebsfällen allein im Kopf- und Halsbereich sind das in Österreich beinahe 1.000 Menschen, die es rückblickend sicherlich begrüßen würden, wenn dieser seit Jahrzehnten bekannten Gefahr schon früher mit Nachdruck begegnet worden wäre.

Angesichts dieser unbestreitbaren Zahlen mit dem "Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen" zu argumentieren, ist ebenso zynisch wie inkonsequent. Schließlich verbieten unsere Gesetze mit gutem Grund auch den Konsum harter Drogen oder reglementieren die Emissionen von Schadstoffen. Mit der Aufhebung des Rauchverbots nehmen Sie sehenden Auges die fortgesetzte Vergiftung weiter Teile der Bevölkerung tatenlos zur Kenntnis.

Zweifellos sind einige der angekündigten Maßnahmen zur Verstärkung des Jugendschutzes zu begrüßen, in Summe sind sie jedoch ungenügend. Das vermeintliche "Privileg" Erwachsener, in einem - oft durch Glaswände - abgegrenzten Bereich rauchen zu dürfen, provoziert das Gegenteil einer positiven Vorbildwirkung und wird bei Jugendlichen in vielen Fällen das Rauchen erst recht erstrebenswert erscheinen lassen.

Angesichts der weltweiten Fortschritte im Kampf gegen den Tabakkonsum darf die österreichische Gesundheitspolitik nicht auf Minimalkompromisse zurück fallen. In den USA wurde die Raucherquote von 42 auf 18 Prozent gesenkt. In Ländern wie Schweden oder Großbritannien rauchen nur noch 16 bzw. 17 Prozent der Bevölkerung regelmäßig. Österreich dagegen liegt mit 30 Prozent auf dem beschämenden drittletzten Platz in der EU (vor Ungarn und Griechenland).

Dabei zeigen die in Irland oder Italien - vor allem in der Gastronomie - umgesetzten Maßnahmen, dass eine konsequente Anti-Tabak-Politik Menschenleben rettet: Dort sind kardiovaskuläre Ereignisse bis hin zum Herzinfarkt sowohl bei Aktiv- wie auch bei Passivrauchern innerhalb kürzester Zeit zurückgegangen.

Vor diesen Fakten fortgesetzt die Augen zu verschließen, wäre unverantwortlich und würde die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher massiv bedrohen. Wir fordern Sie daher namens der Österreichischen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie auf, die geplante Rücknahme des Rauchverbots in der Gastronomie zu überdenken und stattdessen für eine deutlich verstärkte Aufklärung und Prävention zu sorgen.

Mit besten Grüßen

Prim. Univ.-Prof. DDr. Gert Santler, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie; Vorstand der Abteilung für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie am Klinikum Klagenfurt am Wörthersee

Prim. Univ.-Doz. DDr. Oliver Ploder, Generalssekretär der Österreichischen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie; Vorstand der Abteilung für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Landeskrankenhaus Feldkirch

Das Orginalschreiben finden Sie hier: https://goo.gl/etwkVE

(Ende)
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