pte20121128002 Unternehmen/Wirtschaft, Politik/Recht

Portugal: Justizvollzug leidet unter Sparkurs

Überfüllte Gefängnisse und unzumutbare Arbeitsbedingungen


Seefahrerdenkmal: Lissabon fehlt Geld für Vollzug (Foto: pixelio.de/Rolf Handke)
Seefahrerdenkmal: Lissabon fehlt Geld für Vollzug (Foto: pixelio.de/Rolf Handke)

Lissabon (pte002/28.11.2012/06:05) Der schlechte Zustand der portugiesischen Wirtschaft wirkt sich nun auch auf die Bedingungen in den Haftanstalten des Landes aus. Die für den Schuldenabbau drastischen Einschnitte haben vor dem Justizvollzug nicht Halt gemacht. Inakzeptable Arbeitsbedingungen, überfüllte Zellen und ein schlechtes Klima zwischen Aufsehern und Insassen sind die Folgen.

Zudem war Aussicht auf eine Beschäftigung nach der abgesessenen Strafe noch nie so schlecht. "Wir befinden uns in einer Situation, in der viele Häftlinge auf einen Antrag auf Entlassung verzichten, da hier drinnen wenigstens das Essen gratis ist", sagt Júlio Rebelo, Vorsitzender der Gewerkschaft der Justizwachebeamten.

Auslastung bei 110 Prozent

Offizielle Zahlen untermauern diesen unsäglichen Zustand hinter "portugiesischen" Gardinen. Die Auslastung der Gefängnisse liegt gegenwärtig bei 110 Prozent. Das entspricht einer Überbelegung von 1.413 Insassen. Gegenüber dem Jahr 2009 ist die Anzahl der Gefangenen von 11.099 auf 12.344 um über elf Prozent angestiegen.

Erst kürzlich hat Justizministerin Paula Teixeira de Cruz die Zustände in Portugals Haftanstalten als beschämend bezeichnet und versprach einen Zuschuss von 31 Mio. Euro. Justizvollzug, Sozialarbeiter und Anwälte halten dies für unzureichend. Vor den Finanzspritzen der EU und des Internationalen Währungsfonds plante die Regierung den Bau von zehn neuen Gefängnissen. In Bau befindet sich derzeit allerdings nur eines, auf den Azoren.

Beide Seiten beklagen Verhältnisse

Gegenüber der New York Times beschreibt der ehemalige Insasse Carlos Santos die Situation aus der anderen Perspektive. "Das wahre Problem ist, dass sich gewalttätige Übergriffe häufen wenn Wachebeamte unter schlechten Bedingungen arbeiten müssen und überfordert sind. Hinzu kommen bei Überbelegung hygienische Mängel, die zu Infektionen führen können. Santos verrät, dass nun auch Shampoos und Waschmittel von den Gefangenen selbst gekauft werden müssen. Manche Wärter würden einen Aufschlag verlangen und den Rest in die eigene Tasche wirtschaften, so der Vorwurf. "In Krisenzeiten hat Korruption Hochkonjunktur", so Santos.

Laut Júlio Rebelo von der Gewerkschaft sind die Wärter genauso Opfer der Wirtschaftskrise wie die Häftlinge. Während die Gefangenen sich über Missbrauchsfälle beschweren, haben die Attacken gegenüber Wachebeamten in den vergangenen drei Jahren um 200 Prozent zugenommen. Der Mittelmeerstaat befindet sich in einer seit fünf Jahre andauernden Rezession mit spürbaren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. "Wenn du in Portugal aus dem Gefängnis entlassen wirst, hast du so gut wie keine Chance nicht gleich wieder retour zu gehen", so die Meinung des 2009 entlassenen Jorge Montero.

(Ende)
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