pte20120302015 Medien/Kommunikation, Technologie/Digitalisierung

Mobilfunkbetreiber untergraben Netzneutralität

Bevorzugung großer Plattformen durch Gratis-Zugang


Mobilfunk-Sender: bevorzugte Inhalte (Foto: pixelio.de, W. Wulff)
Mobilfunk-Sender: bevorzugte Inhalte (Foto: pixelio.de, W. Wulff)

Paris (pte015/02.03.2012/11:42) Einige nationale Handy-Netzbetreibher, darunter France Telekom und Turkcell, haben damit begonnen, das Internet in verschiedene Bereiche aufzusplittern, wie das Wall Street Journal berichtet. Kunden erhalten unlimitierten Zugang zu manchen vielgenutzten Plattformen wie Facebook, alle anderen Internetseiten verursachen erhebliche Zusatzkosten. Das verletzt den Grundsatz der Netzneutralität, wonach für das ganze Internet gleiche Zugangsvoraussetzungen herrschen sollten. Die Mobilfunkbetreiber überlegen außerdem, die Anbieter von Diensten zur Kasse zu bitten, was große Plattformen weiter bevorteilen würde.

"Für die Nutzer von Diensten mit Monopolisierungstendenzen klingt ein selektives Gratis-Angebot toll. Für die Allgemeinheit ist es aber schlecht, wenn alle anderen Angebote benachteiligt werden. So werden durch Wettbewerbsverzerrung Quasi-Monopole zementiert. Weniger Konkurrenz führt längerfristig zu schlechteren Preisen für alle. Ich glaube trotz allem, dass die Netzneutralität haltbar ist", sagt Netzpolitik-Chefredakteur Markus Beckedahl http://netzpolitik.org gegenüber pressetext.

Keine Freiheit im Netz

Kunden des selektiven Datentarifs der France Telekom müssen für alle Internetseiten außer Twitter und Facebook tief in die Tasche greifen. 20 Minuten im benachteiligten Teil des Web kosten etwa 50 Cent. Ob Facebook und Co für die bevorzugte Behandlung bezahlen, ist unklar, da sich keiner der Beteiligten zu dem Thema äußern will. "Facebook könnte sich Deals mit Mobilfunkbetreibern leisten, was möglichen neuen Konkurrenten den Marktzutritt enorm erschweren würde", so Beckedahl. Für Mobilfunkbetreiber, die sich in einem hochkompetitiven Umfeld behaupten müssen, wäre jede zusätzliche Einnahmequelle ein Segen.

Die Suche nach Möglichkeiten, die Einnahmen zu ergänzen, führt zur Einführung komplizierter Tarifmodelle. Echte Flatrates werden zunehmend seltener. Der amerikanische Mobilfunkanbieter AT&T, der ebenfalls an einem selektiven Zugangsmodell arbeitet, hat auf dem MWC in Barcelona mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, die Haupt-Profiteure des mobilen Datenvolumens, also Google, Facebook und Co, an den Kosten für den Netzbetrieb zu beteiligen. "Die Provider versuchen in beide Richtungen abzukassieren, bei den Nutzern und den Anbietern, ähnlich wie beim Kabelfernsehen. Diese Maßnahme würde alle Firmen ohne großes Kapital im Rücken weiter benachteiligen", erklärt Beckedahl.

Erboste Konkurrenz

In der Türkei bekommen lokale Facebook-Konkurrenzangebote die Benachteiligung bereits zu spüren. "Die Bedingungen sind nicht fair", sagt Dilawar Syed, CEO eines lokalen türkischen sozialen Netzwerks. Durch die selektiven Verträge ist das Nutzen von Facebook für Turkcell-Nutzer im Grundpreis inkludiert, während der Besuch des kleinen Konkurrenten, der immerhin sechs Mio. Mitglieder hat, extrem teuer ist. Um den Preisunterschied zu minimieren, versucht Syed den Datenhunger seiner mobilen Anwendung zu reduzieren. Ganz ausgleichen kann er den Unterschied so aber auf keinen Fall.

(Ende)
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