pte20101120005 Umwelt/Energie, Politik/Recht

Brasilien: Wasserkraft ist Todesurteil für Amazonas

Staudamm-Betroffene: "Belo Monte bestimmt Schicksal des Landes"


Amazonas-Regenwald: Wasserkraft bedroht die grüne Lunge der Welt (Foto: DKA/Eichelmann)
Amazonas-Regenwald: Wasserkraft bedroht die grüne Lunge der Welt (Foto: DKA/Eichelmann)

Brasilia/Wien (pte005/20.11.2010/06:05) Der Boom an geplanten Wasserkraftwerksbauten in Brasilien ist drauf und dran, den gesamten Amazonas-Regenwald zu vernichten. Internationale Konzerne profitieren davon kurzfristig, die Bevölkerung und die Natur erfahren dadurch jedoch bloß Schaden. Davor warnen Leonardo Bauer Maggi und Iury Charles von der Bewegung der Staudamm-Betroffenen Brasiliens MAB http://www.mabnacional.org.br im Gespräch mit pressetext.

Aktueller Anlass ist die Verleihung des alternativen Nobelpreises an den austro-brasilianischen Bischof Erwin Kräutler, der zu den prominentesten Kritikern des Ausbaus der brasilianischen Wasserkraft zählt. Kräutler hat unlängst im Interview mit pressetext das Dammprojekt "Belo Monte" am Xingu-Fluss als "Dolchstoß für den Amazonas" bezeichnet (siehe: http://pressetext.com/news/101002008/ ). Im Vorfeld der Auszeichnung hat die Dreikönigsaktion der katholischen Jungschar http://www.dka.at die beiden MAB-Aktivisten nach Österreich eingeladen.

Eldorado der Konzerne

Brasilien ist schon heute nach China und Kanada drittgrößter Produzent von Strom aus Wasserkraft mit einem Weltanteil von einem Zehntel. 60 Prozent davon stammen aus dem Amazonas. Geht es nach der frisch gewählten Präsidentin Dilma Rousseff, die unter Amtsvorgänger Lula da Silva Energieministerin war, so soll die Wasserkraft zur Triebfeder von Brasiliens Wirtschaftsboom werden. 70 zusätzliche Wasserkraftwerke sind in Amazonien derzeit geplant. Bis 2030 könnten es laut Bauer Maggi 2500 Staudämme mehr werden - 1450 davon zur Energieerzeugung, der Rest für die künstliche Bewässerung der Agrarindustrie.

Die Wirtschaftskrise hat diese Entwicklung beschleunigt, erklärt der Aktivist. "Die Konzerne modernisieren ihre Produktionsstätten und suchen billigere Alternativen zu fossilen Treibstoffen. Der günstigste Strom ist für sie jener aus Wasserkraft." Deren Nutznießer sind in erster Linie die exportorientierte Industrie wie etwa Aluminium-, Stahl- und Zellulosewerke. Auch alle großen Autohersteller sind schon heute mit Produktionsanlagen in Brasilien vertreten und beliefern den südamerikanischen Markt. Da Wasserkraft als CO2-freundliche Alternativenergie gilt, kann Brasilien dank ihr sogar Emissionspapiere verkaufen.

Katastrophe für Mensch und Natur

"Die Rechnung stimmt so jedoch nicht", warnen Bauer und Charles. Fast geschenkt ist der Wasserkraft-Strom nur für die Industrie. Privathaushalte, die nur 22 Prozent der Energie verbrauchen, bezahlen einen bis zu zehnmal höheren Preis - den fünfthöchsten Stromtarif der Welt. Zudem haben viele Brasilianer noch gar keinen elektrischen Strom. "Das größte soziale Problem sind jedoch Vertreibungen durch Kraftwerksbauten", so Bauer Maggi. Bereits jetzt hat Brasilien eine Million Vertriebene, von denen nur jeder Dritte für die Enteignung jemals eine Einmal-Entschädigung von umgerechnet 100 Euro bekam. "Die Dämme haben mehr Leute von ihrem Grund und Boden vertrieben als durch die viel diskutierte Landreform Land erhielten."

Noch weiter dürften jedoch die Umweltschäden reichen, die im Schlepptau des Wasserkraft-Ausbaus und der Unterbrechung der Wasserkreisläufe bevorstehen. "Man sagt, der Kapitalismus frisst seine Kinder. In diesem Fall ist das Opfer die Mutter Natur des Amazonas-Regenwaldes, dem die Kraftwerke ein Ende bereiten", schildert Bauer Maggi. Alle Ressourcen würden schrittweise ausgebeutet - durch den Energiesektor, die Privatisierung des Wassers, und in Folge des logistischen Anschlusses durch Straßen- und Zugsverbindungen. "Gibt es gute Verbindungen ins Zentrum des Amazonas, so öffnet das die Türe für Bioethanol-Plantagen, Bergbauunternehmen und Landwirtschaft."

Belo Monte hat hohen Symbolwert

Das von Bischof Kräutler besonders kritisierte Staudamm-Projekt "Belo Monte" am Xingu-Fluss hat immensen Symbolwert für die Politik, erklärt Bauer Maggi. "Das ist nicht nur wegen des jahrzehntelangen Widerstandes der Lokalbevölkerung. Die Infrastruktur für seinen Betrieb ist Voraussetzung für die industrielle Nutzung der anderen Amazonas-Zuflüsse weiter westlich." Belo Monte würde nach der Fertigstellung nur einen Effizienzgrad von zehn Prozent erreichen. Für einen rentablen Betrieb sind mindestens zwei weitere Staudamm-Neuerrichtungen im Oberlauf des Xingu-Flusses notwendig.

Kräutler und auch die beiden Sprecher der Betroffenen-Bewegung kämpfen weiter um die Verhinderung der Energiepläne. Dazu gehört die lokale Vernetzung der Staudamm-Leidtragenden, deren juristische Unterstützung und das internationale Anprangern der Betreiber, erklärt Bauer Maggi. "Denn die Profiteure der Wasserkraft sind nicht in Brasilien, sondern in den Industrieländern des Nordens. So setzt etwa die österreichische Andritz, die deutsche Voith oder die französische Alstom Hauptanwärter für eine Beteiligung an den aktuellen Projekten."

Erbe der Welt

Europa muss sich der Bedeutung der Erhaltung des Amazonas-Regenwaldes bewusst werden, so der Aktivist. "Der Amazonas gehört nicht Brasilien, sondern ist Teil des Welterbes. Der Kampf gegen Belo Monte und seine Folgeprojekte ist somit Angelegenheit der ganzen Welt."

(Ende)
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