pte20100708020 Medizin/Wellness, Kultur/Lifestyle

Borderline selbst von Therapeuten missverstanden

Ex-Betroffene: "Behandlungserfolg braucht Offenheit der Fachleute"


Berlin/Wien (pte020/08.07.2010/11:35) Nicht nur Angehörige und Freunde, sondern auch Fachleute können sich teils kaum in die Situation von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) einfühlen. Missverständnisse sind somit vorprogrammiert, sagt Irene Apfalter, ehemals BPS-Betroffene und nun Psychotherapeutin in Ausbildung http://praxis-apfalter.at , im pressetext-Interview am Rande des ersten Borderline-Weltkongresses in Berlin (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/100701037/ ).

Vorurteile und Ängste der Helfer

Viele der gängigen Vorurteile und Ängste gegenüber BPS, die Patienten stigmatisieren, plagen auch Therapeuten. Manche lehnen es sogar ab, Betroffene zu behandeln. "Borderliner sind eine sehr spezielle Patientengruppe. Ihre starken Emotionen wie Wut, Aggression, Angst, Ärger oder Ohnmacht übertragen sich häufig auch auf denjenigen, der behandelt. Um die Situation zu verstehen, muss man sich mit der Krankheit eingehend auseinander gesetzt haben und das Verhalten reflektieren, sonst läuft schnell etwas schief", so Apfalter.

Zu den Vorurteilen gehört die Meinung vieler Therapeuten, dass BPS-Patienten Behandlungsteams spalten können. Apfalters Erfahrung nach braucht es hier Differenzierung. "Ein Borderliner weckt in verschiedenen Menschen ganz unterschiedliche Gefühle. Der eine sieht ihn als arm und hilfsbedürftig, ein anderer denkt jedoch, dass der Patient mit den Therapeuten spielen und sie manipulieren will. Diese Unterschiede können gefährlich sein", so die Expertin. Wichtiger als das Beherrschen aller Therapieformen sei daher ein Therapeut, dem Betroffene Sympathie und Vertrauen schenken und dasselbe auch von ihm erfahren.

Hilfe ist möglich

Ob BPS heilbar ist, wird ebenfalls oft in Frage gestellt, obwohl es erfolgreiche Therapieansätze gibt (siehe: http://pressetext.com/news/091210016/ ). "Der Begriff 'heilen' suggeriert, dass der Zustand vor der Krankheit wiederhergestellt wird. Das ist nicht der Fall", so Apfalter. Die Erlebnisse der Krankheit würden Patienten derart prägen, dass große Sensibilität und Gefühlsempfindlichkeit bleibt. Leichter verletzbar bleibe man somit trotz erfolgreicher Therapie, jedoch weniger als während der Krankheit. "Man kann lernen, trotz BPS ein zufriedenes und ausgeglichenes Leben zu führen und mit eigenen Ressourcen individuelle Ziele erreichen." Bei Experten heißt dieser Ansatz "Recovery", also Wiedergesundung.

Ähnlich auch Apfalters Einstellung zur Beziehungsfähigkeit, die manche Menschen den Borderline-Patienten absprechen. "Wenn die Krankheit ein akutes Stadium erreicht, leidet darunter das Beziehungsverhalten und das Aushalten wird für Betroffene und ihre Partner schwierig. Doch auch hier hilft eine gute Therapie, Verhaltensmuster und Erlebnisweisen zu ändern und sich weiter zu entwickeln. Patienten können somit sehr wohl eine gelungene Beziehung führen."

Austausch lässt besser verstehen

Am besten gelingt Fachleuten der Umgang mit BPS, wenn sie gerne mit den Betroffenen arbeiten und mit der Problematik vertraut sind. Das erleichtert das Projekt Trialog http://www.borderlinetrialog.de , das es in zehn deutschen Städten, im schweizerischen Winterthur und seit März auch in Wien gibt (Infos unter: borderlinetrialog@promente-wien.at). Alle drei Ebenen - Patienten, Angehörige und Fachleute treffen sich dabei zum Austausch. "Betroffene berichten hier sehr reflektiert und werden gehört. Davon profitieren auch teilnehmende Experten wie Therapeuten, Psychiater, Krankenpfleger, Sozialarbeiter oder Psychologen", berichtet Apfalter.

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