pte20090612010 Politik/Recht, Bildung/Karriere

Brasilien: Kinderarbeit weit verbreitet

Fortschrittliche Verfassung keine Garantie für Schutz der Kinder


218 Mio. Kinder unter 17 Jahre arbeiten weltweit (Foto: Jugend Eine Welt)
218 Mio. Kinder unter 17 Jahre arbeiten weltweit (Foto: Jugend Eine Welt)

Belo Horizonte/Genf (pte010/12.06.2009/12:30) "Sextourismus und Kinderarbeit sind in Brasilien noch weit verbreitet, obwohl die Verfassung die Kinderrechte anerkennt." Das berichtet der brasilianische Kinderrechtsexperte Irmao Raymundo Mesquita im pressetext-Interview, anlässlich des heutigen Welttages gegen Kinderarbeit. Mesquita leitet in der Stadt Belo Horizonte ein Projekt der Salesianer Don Boscos zur Arbeitsvermittlung von Jugendlichen, das von der Organisation Jugend Eine Welt http://www.jugendeinewelt.at unterstützt wird.

Die Verfassung Brasiliens ist in Sachen Kinderrechte fortschrittlich, da sie diese seit 1989 als Grundrecht anerkennt. Bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, muss der Staat laut Artikel 227 auf das Wohl der Kinder achten, zudem verfügen mittlerweile beinahe alle 8.000 Bezirke Brasiliens über einen Rat, der die Einhaltung der Kinderrechte überprüfen soll. Deren Arbeitsweise hat jedoch nur zu schleppenden Verbesserungen der miserablen Situation vieler Kinder geführt. "Die Politik fühlt sich als Besitzer der Kinderrechts-Strukturen, obwohl es sich dabei doch um Kontrollinstanzen handeln sollte", kritisiert Mesquita. Genaue Beobachtung und ständige Kritik dieser Strukturen seien nötig, denn Missstände gebe es weiterhin.

Als derzeitiges Hauptproblem sieht der Kinderrechts-Experte die Kinderarbeit. "Es gibt etwa drei Mio. Kinder in Brasilien, die neben oder statt der Schule arbeiten. Sie werden bei Arbeiten eingesetzt, die mit der Hand zu erledigen sind - in der Regel auf Zuckerrohr-, Kaffee- oder Orangenplantagen oder in der Seifenerzeugung." Es sei problematisch, dass sich der Lohn der Arbeiter in diesen Betrieben an Gewicht oder Menge des geernteten oder fabrizierten Produktes orientiert. "Das führt dazu, dass viele Eltern ihre Kinder in ihre Arbeit mitnehmen, um dadurch das Familieneinkommen aufzubessern", so Mesquita.

Der Sextourismus sei ein zweites Problem, das viele Kinder unmittelbar betrifft. "Europäer und Nordamerikaner schätzen besonders die schönen Strände im Nordosten des Landes. Viele dieser Touristen suchen jedoch Sex mit Minderjährigen. Besonders Mädchen aus armen Familien arbeiten in dieser Gegend als Prostituierte, noch lange bevor sie volljährig sind." Mesquita wertet es als Erfolg, dass viele brasilianische Hotels ihre Gäste darauf hinweisen, dass Sex mit Kindern strafbar ist und von der Polizei geahndet wird. "Viele haben auch ein Zutrittsverbot für Kinder unter 18 Jahren eingeführt, um dem Problem entgegenzuwirken." Als weitere Verletzung der Kinderrechte erkennt Mesquita die Zustände in den brasilianischen Gefängnissen, die keine räumliche Trennung zwischen inhaftierten Kindern und Erwachsenen vornehmen.

218 Mio. Kinder zwischen fünf und 17 Jahren verrichten bezahlte oder unbezahlte Arbeit oder werden dazu gezwungen, 100 Mio. davon sind Mädchen. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO http://www.ilo.org warnt am heutigen Welttag, dass die Wirtschaftskrise die Kinderarbeit weiter ansteigen lässt, wovon besonders Mädchen betroffen seien. ILO-Generaldirektor Juan Somavia fordert in diesem Zusammenhang die Regierung zur Förderung der Schul- und Berufsbildung auf. "Investitionen in Bildung bringen Gleichheit und sozialen Fortschritt. Ein gebildetes Mädchen ist besser darauf vorbereitet, den Teufelskreis von Kinderarbeit und Armut zu durchbrechen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das auch unmittelbare Vorteile für die Familien bringt, sowie für die Gemeinden, Gesellschaften und Wirtschaft", so Somavia.

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