pte20070901001 Unternehmen/Wirtschaft, Handel/Dienstleistungen

US-Subprime-Panik: "Anleger wie Lemminge"

Experte kritisiert unprofessionelle Spekulationsgeschäfte


Incam-Chef Jörg Urlaub (Foto: Incam AG)
Incam-Chef Jörg Urlaub (Foto: Incam AG)

Kaarst/Wien (pte001/01.09.2007/06:05) Die Meldungen rund um das vermeintliche Krisenszenario am US-amerikanischen Subprime-Hypothekenkreditmarkt gleichen in den vergangenen Wochen und Monaten einer Berg- und Talfahrt. pressetext sprach mit Jörg Urlaub, Alleinvorstand und Portfoliomanager der Incam AG http://www.incam.de , einem deutschen Anbieter von Finanzinstrumenten für Privat- und Geschäftskunden, über die aktuellen Turbulenzen und deren Übergreifen auf andere internationale Finanzmärkte. Dabei nehmen die Investitionsstandorte Deutschland und China bedeutende Positionen ein, wobei sich Anleger mit neuen Herausforderungen und möglichen Strategiewechseln bei der Portfolioplanung und -optimierung konfrontiert sehen.

pressetext: Herr Urlaub, die leichtfertige Kreditvergabe am US-amerikanischen Immobilienmarkt und das damit in Verbindung gebrachte globale Krisenszenario verunsichert Anleger und wird von Analysten sehr unterschiedlich beurteilt. Welchen Stellenwert besitzt das Thema Subprime tatsächlich und ist die Krise mittlerweile überstanden?
Urlaub: Unter Analysten wird die Debatte rund um die US-amerikanischen Subprime-Hypothekenkreditkrise derzeit heiß diskutiert. Die Unsicherheit über das Ausmaß der Probleme hat die Anleger gegenüber bonitätsschwachen Hypothekenkrediten sehr skeptisch werden lassen. Die Märkte haben sich beruhigt und ich gehe davon aus, dass die Krise schon größtenteils im Markt verarbeitet worden ist. Inwieweit sich die zukünftige Entwicklung darstellt, darüber ist aber noch kein klarer Trend abzusehen.

pressetext: Die aktuelle Übernahme der finanziell ins Schlittern geratenen, sächsischen Landesbank durch die Landesbank Baden-Württemberg scheint eine direkte Folge der US-Subprime-Krise. Inwieweit sind die Märkte in Deutschland bzw. Europa bereits davon betroffen?
Urlaub: Die US-amerikanischen Finanzprobleme haben sich auf Deutschland sowie Europa bereits ausgewirkt. Viele Bankinstitute informieren ihre Anleger mittlerweile dezidiert über ihre Aktivitäten im Subprime-Segment. Einige Marktteilnehmer betonen auch, ausschließlich europäische Verbriefungen höchster Bonität (AAA-Rating) halten zu wollen. Eines der Grundprobleme des Überschwappens der Krise war einfach, dass sich in diesem Bereich Bankeninstitute bewegt haben, die keine oder eine nur im geringen Ausmaß nötige Kompetenz aufwiesen.

pressetext: Ist das Übergreifen der Krise auf Deutschland damit hausgemacht und war der drohende Konkurs der Sachsen LB nicht bereits im Vorhinein abzusehen? Gab es bei der Bank offensichtliche Versäumnisse?
Urlaub: Das aktuelle Beispiel der Sachsen LB zeigt, dass diese die internationalen Erfahrungswerte, die man bei Spekulationsgeschäften benötigt, nicht mitbringen konnte. Im Fall der Sachsen LB wurden definitiv Fehler gemacht, die man hätte im Vorhinein vermeiden können. Man darf aber nicht vergessen, dass die Krise letztendlich auch viele andere in Mitleidenschaft gezogen hat, die definitiv nichts damit zu tun hatten. Das Problem war, dass die Amerikaner den Deutschen ihre notleidenden Kredite verkauft haben und diese dann noch so dumm waren, sie zu nehmen. Der Umgang mit der Krise zeigt zwar, dass sich die Sparkassen untereinander helfen, um einen Finanzskandal abzuwehren. Erschreckend finde ich jedoch, dass die neuen Bundesländer nun keine eigene Landesbank mehr besitzen.

pressetext: In Asien mit seinem boomenden Markt China wurde und wird nach wie vor immens viel Kapital investiert. Steht diesem Weltmarkt vor dem Hintergrund der Subprime-Krise ein Kollaps bzw. eine baldige Überhitzung bevor?
Urlaub: Die Kreditausfälle am US-Markt für zweitklassige Hypothekenkredite haben in jüngster Zeit zu stärkeren Kursausschlägen an den asiatischen Aktienmärkten geführt. Befürchtungen, dass die Krise am amerikanischen Subprime-Markt auch ganz Asien erfassen könnte, ließen die Kurse an einigen asiatischen Aktienmärkten einbrechen. Der Ausverkauf erreichte einen temporären Höhepunkt, als die asiatischen Aktien und Währungen unter erheblichen Verkaufsdruck kamen. Am Beispiel der China-Blase wird deutlich, dass man bis zum 8. August dieses Jahres schon fast von einem erreichten Höchststand der Kurse sprechen konnte. Danach sind langsam die USA-Subprime-Krisenmeldungen auch nach Asien herüber gesickert, wobei der Markt unmittelbar darauf reagierte und als Beispiel der ABN Amro China Equity Fund nach der Kurskorrektur in diesem Monat über 17 Prozent innerhalb von nur acht Tagen verlor. Seit dem 16.08.2007 verzeichnet der Fonds wieder einen Wertzuwachs von 29 Prozent - und das innerhalb von nur elf Tagen.

pressetext: Heißt das etwa, dass das internationale Aktien- und Fondsgeschäft zu einem Großteil den Regeln der Psychologie folgt?
Urlaub: Ja, dem kann man nur zustimmen, wenn man sich die immensen Kursschwankungen der letzen Wochen ansieht. Dennoch zeigt die aktuelle Entwicklung aber auch mehr als deutlich, dass solche Horrormeldungen vom Markt so schnell verarbeitet werden, dass Unsicherheiten bei den Anlegern aufkommen. Unterm Strich bedeutet das aber auch, dass der normale Investor oder private Kleinaktionär dieses komplexe Finanzmarktsystem gar nicht wirklich einschätzen kann. Obwohl manche Märkte gar nicht von der Krise betroffen sind, haben die meisten Anleger Angst und verkaufen panikartig, sodass kurze Zeit danach die Kurse massiv in den Keller gehen. Was folgt, haben wir erst kürzlich gesehen, indem viele diesen Entwicklungen hinterherlaufen wie die Lemminge. Für Anleger, die sich von der Kurskorrektur unbeeindruckt gezeigt haben, hat sich diese Strategie in diesem Segment ausgezahlt. Die China-Blase ist wieder gefüllt, wobei die Marktsensibilität auch künftig zu berücksichtigen bleibt.

pressetext: Ist China bei solchen Kursschwankungen als wirtschaftlicher Investitionsstandort für Anleger und Investoren noch reizvoll?
Urlaub: Betrachtet man die wirtschaftlichen Fundamentaldaten, dann sehe ich den chinesischen Markt nach wie vor intakt, schließlich stehen die Olympischen Spiele vor der Tür und das Wirtschaftswachstum sieht mit zwölf Prozent sehr positiv aus. Zwar hat man in China Probleme mit dem Umweltschutz, dennoch ist die Arbeitskraft dort im Vergleich zu Deutschland oder anderen westeuropäischen Industrienationen extrem günstig. Allein die Spielwarenindustrie boomt ungebrochen, da hier rund 90 Prozent der Waren für den Weltmarkt erzeugt werden. Daher hat China durchaus das Potenzial, die Wirtschaftsmacht der Zukunft zu werden. Aber dennoch ist die Volksrepublik noch immer ein sich entwickelnder Emerging Market, sodass sich - wie erst kürzlich zu sehen war - jegliche Rückschläge groß auswirken können. Aus diesem Grund sind diese Märkte auch immer etwas für den spekulativeren Anleger und/oder als Beimischung zum Portfolio geeignet.

pressetext: Wie können Anleger optimal auf die globalen Entwicklungen reagieren und machen spekulative Aktiengeschäfte zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt Sinn?
Urlaub: Was den normalen Anleger betrifft, sehe ich das Hauptproblem darin, dass dieser hauptsächlich aus Angst verkauft und erst wieder viel zu spät in den Markt einsteigt. Zwar sollten Anleger derzeit verstärkt mit Volatilität rechnen aber zeitgleich auch einen kühlen Kopf bewahren und nicht alle Finanzprodukte und Märkte undifferenziert über einen Kamm scheren. Mein Rat für die Anleger lautet daher, keine Panik zu bekommen und nicht gleich den Emotionen nachzugeben oder gar der breiten Masse hinterherlaufen. Es empfiehlt sich der Grundsatz langfristiger Investments. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass der beste Kaufzeitpunkt dann gekommen ist, wenn viele verkaufen, denn der Anleger kann die Werte zu attraktiven Kursen erwerben. Wichtig ist, dass die Fundamentaldaten weiterhin intakt sind.

pressetext: Obwohl sich die großen Investorem während des Subprime-Dilemmas irrational verhielten und sich von Stimmungen haben leiten lassen, sollen sich die Anleger nun rational verhalten?
Urlaub: Es besteht kein Grund zur Panik. Zudem sind viele der deutschen und europäischen Geldmarkt- und Rentenfonds überhaupt nicht im amerikanischen Subprime-Markt engagiert. Es lassen sich eben keine Pauschalaussagen treffen, weil man die einzelnen Produkte und Märkte im Einzelfall genau analysieren muss. Wenn es Rückschläge gibt, muss man diese entsprechend begrenzen. Hier bewahrheitet sich nach wie vor eine breit gestreute Asset Allocation, wobei höhere Risikoklassen als Beimischung genutzt werden sollten. Würden Berater ihren Kunden etwas anderes empfehlen oder gar meinen, alles auf ein einziges Pferd zu setzen, wäre dies unverantwortlich. Langfristig gesehen, gehört eine gewisse Risikostreuung einfach mit dazu. Alles in allem sollten Anleger mit ihren Beratern sprechen, ruhig bleiben und die Zusammensetzung des Portfolios überprüfen. Gegebenenfalls ist eine Portfoliooptimierung gemäß den Anlagepräferenzen des Anlegers vorzunehmen.

pressetext: Welche mittel- bis langfristigen Prognosen sind für 2007/2008 vorstellbar? Bleibt das ungeliebte Wort Volatilität weiter auf der Tagesordnung?
Urlaub: Obwohl kurzfristig mit erhöhter Volatilität zu rechnen sein wird, bewerte ich den langfristigen Ausblick positiv. Die Frage ist, ob sich die Wachstumsdynamik angesichts der aktuellen Liquiditätsengpässe auch für den Rest des Jahres aufrechterhalten lässt. Insgesamt halte ich die wirtschaftlichen Fundamentaldaten in Asien weiterhin für intakt. Auch wenn eine mögliche, kurzfristige Abkühlung der US-Wirtschaft die Ausfuhren aus China und anderen asiatischen Volkswirtschaften dämpfen könnte, sind diese Regionen von starken Wachstumszahlen und einer hohen Inlandsnachfrage gestützt.

pressetext: Also lieber auf mehr oder weniger sichere Garantiefonds, Zertifikate oder Anleihen setzen, als spekulative Aktien in Erwägung zu ziehen?
Urlaub: Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Man sollte sich auf die Papiere konzentrieren, die wirklich über eine hohe Bonität verfügen und nicht ausschließlich im amerikanischen Schrott-Hypothekenmarkt tätig sind. Zudem rate ich Anlegern, eher auf das hochpreisige, angebotsstarke Segment zu fokussieren. Man hat gesehen, dass der Markt auch wirkungsvoll entgegensteuern kann. Die amerikanische Zentralbank FED hat den Leitzins um 50 Basispunkte gesenkt, auch gab es massive Unterstützungen seitens der Europäischen Zentralbank. Das System bricht nicht in sich zusammen, die globalen Finanzinstitute sind sich ihrer Verantwortung und den damit verbundenen Verpflichtungen bewusst.

pressetext: Vielen Dank für das Gespräch.

(Ende)
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