pte20040827003 Umwelt/Energie, Medizin/Wellness

Trinkwasser wird zum Medikamenten-Cocktail

Forscher finden von Hormonen bis Antibiotika alle Präparate


Berlin (pte003/27.08.2004/08:15) Die Reste von Millionen von Medikamenten landen im Abwasser. Eine neue Studie in einem Klärwerk in Deutschland hat erneut bestätigt: Herkömmliche Methoden sind nicht geeignet, die zahlreichen Arzneimittel aus dem Wasser zu bringen. Vielfach gelangen daher synthetische Hormone wie Estradiol aus Anti-Baby-Pillen wieder in Flüsse, Bäche, Seen, ins Grund- und leider auch ins Trinkwasser, berichtet der Spiegel http://www.spiegel.de .

Die Analysen von Forschern im Grundwasser erinnern an eine kleine Hausapotheke: Blutfettsenker (Clofibrinsäure), Schmerzmittel, Antirheumatika (Ibuprofen, Diclofenac) und verschiedene Analgetika, aber auch Röntgenkontrastmittel. "Diese Stoffe finden sich überall in Deutschland", erklärt Markus Lehmann, Geoökologe bei der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg. Die Statistik gibt dem Forscher allerdings Recht, denn jährlich wandern etwa 100 Tonnen Schmerzmittel über den Umweg Mensch durch die Toiletten wieder in die Natur. Zusätzlich dazu werden immer noch tonnenweise unverbrauchte Arzneimittel über die Toiletten entsorgt.

Nach einem zufälligen Fund der Substanzen in den 90-er Jahren durch Berliner Forscher wurden in Deutschland zum einen die Analyseverfahren verbessert, zum anderen die Gewässer genauer untersucht. Interessantes Detail am Rande: Die eben ausgeschiedenen Stoffe kommen nach Wochen oder Monaten wieder zurück. Die Berliner Experten konnten etwa 16 Verbindungen im Trinkwasser und mehr als 100 im Abwasser entdecken. Zu den Hauptverursachern der Verunreinigungen zählen aber nach Angaben des Lebensmittelchemikers Thomas Heberer von der Technischen Universität Berlin nicht Krankenhäuser, sondern zu 80 Prozent private Haushalte.

"Es ist noch völlig ungeklärt, ob und in welchem Maße diese Stoffe ein Risiko für Mensch und Natur darstellen", meint Bodo Weigert vom Kompetenzzentrum Wasser Berlin. Beweise für eine humantoxikologische Wirkung gebe es nicht, so der Forscher. Umgekehrt liegt eine Studie der Bochumer Ruhr-Universität vor, wonach ein Zusammenhang zwischen der seit Jahren sinkenden Spermienzahl bei Männern und einer steigenden Rate an Hodenkrebs-Erkrankungen und Genitalfehlbildungen durch Östrogene im Trinkwasser und in Lebensmitteln vermutet wird. "Aus der heutigen wissenschaftlichen Sicht bestehen keine Risiken für die menschliche Gesundheit. Es wäre jedoch unseriös, eine völlige Unbedenklichkeit zu attestieren", räumt Heberer ein. "Allein in Deutschland sind rund 3.000 verschiedene Arzneimittelwirkstoffe auf dem Markt, von denen einzelne in Mengen bis zu mehreren hundert Tonnen pro Jahr verabreicht werden", erklärt Lehmann einen weiteren Unsicherheitsfaktor. Zusätzlich gibt der Forscher zu bedenken, sei nichts über die Langzeitwirkung niedriger Konzentrationen bekannt.

Neue Verfahren der Gas- und Flüssigchromatographie gekoppelt mit der Massenspektrometrie können nach Angaben von Heberer auch kleinste Dosen von Chemikalien entdecken. Darüber hinaus sind neue Techniken in Erprobung, mit denen auch herkömmliche Kläranlagen organische Spurenstoffe beseitigen können. Die Kosten sind aber vielfach zu hoch.

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